Schwarze Welten

■ Afrika ist für uns Europäer ein dunkler Erdteil mit sehr vielen weißen Flecken

Dunkel, weil die Haut der Menschen jenseits der Sahara dunkel ist, und Weiß, weil uns der Überblick über die Vielzahl von Ländern und Völkern fehlt. Die geographische Lage von Südafrika zu bestimmen ist sicher die einfachste Übung. Mac Kenzie De Jongh aus Kapstadt zu treffen und zu erkennen ist auch möglich. Er schielt nämlich so unglaublich, daß seine Augen in verschiedene Richtungen rollen. Lesen kann er nur, wenn er dabei den Kopf hin- und herbewegt. In der Schule wird er gehänselt. Die Leute, selbst seine Mutter, können ihm nicht ins Gesicht schauen. „Armer Junge“, sagen sie. Sein ältester Bruder allerdings findet das Schielen ganz vorteilhaft. Wenn er klauen geht, nimmt er seinen Bruder gern mit. Alle starren dann Mac Kenzie an, und er packt derweil ein.

Bei so einer Aktion hat Mac Kenzie sein zukunftsweisendes Erlebnis. Zwei miteinander Streitende kommen aus einem Laden, sehen Mac Kenzie schielen, verstummen, drücken ihm Geld in die Hand und gehen lächelnd weiter. Es hatte ihnen gutgetan, ihm etwas zu schenken. Jetzt ging es ihnen besser. Das war es. Der afrikanische „Haste mal ne Mark“-Job war geboren. Leider sind die familiären Umstände so verworren, daß er kaum Zeit hat, zu betteln, obwohl sein Geld dringend gebraucht würde. Sein älterer Bruder hält politische Reden, Mutter und Schwester verlieren ihre Jobs, und für das Baby der ältesten Schwester muß er „Windelkindel“ spielen. Dabei will er eigentlich Schauspieler werden. Gut, daß man mit solchen Augen auch ferne Ziele nicht aus dem Blick verliert. Das Chamäleon läßt grüßen. Wie Mac Kenzie guckt es in verschiedene Richtungen gleichzeitig. Das nennt man Naturtalent. Schließlich kann Humor auch eine Frage des Blickwinkels sein. Und davon hat Mac Kenzie außergewöhnlich viele.

Mit dem 13jährigen Kariuki gehen wir nach Kenia, zurück in die Zeit vor der Unabhängigkeit. Acht Jahre dauerte der Kampf der Untergrundbewegung „mau-mau“, dann gaben die Engländer auf. Kariuki lebte mit seinen Eltern und dem Bruder in einem Dorf nahe der Farm eines Weißen. Sein Vater war auf der Farm als Koch angestellt. Die Familie lebte zwischen den Fronten, bedroht von dem Farmer, der englischen Armee und den Untergrundkämpfern. Kariukis Vater war vor Angst zu einem prügelnden Vater geworden. Sein Sohn nahm sich trotzdem das Recht, Kind zu sein, was zu vielen Konflikten führte. Er lernte früh, auf Fragen ausweichend, nichtssagend zu antworten, da die Wahrheit oft die falsche Antwort war und Kopfnüsse und Prügel nach sich zog. Die Situation verschärfte sich noch, als Nigel aus England kam, um auf der Farm seiner Großeltern Ferien zu machen. Er freundete sich mit Kariuki an. Der ahnte gleich, daß das eine Menge Probleme bringen würde, und Nigel kapierte nur wenig. Wieso sollten die Fische im Fluß seinem Opa gehören? Wieso hatte Kariuki solche Angst vor seinen Geschenken? Raum für ihre Freundschaft war nur abseits der Erwachsenenwelt. Im Wald gingen sie heimlich auf Großwildjagd. Aber aus Jägern wurden Gejagte. Auch die „mau- mau“-Kämpfer lebten im Wald. Es war Krieg und das Leben von zwei Kindern nicht viel wert.

Trotz manch tragikomischer Situation ist es ein tieftrauriges Buch. Egal, wie sich Kariuki verhielt, seine Lage war ausweglos. Auch die Freundschaft mit Nigel hatte keine Chance, weil die Verhältnisse es nicht erlaubten. Marie Müller

Jenny Robson: „Da mußt du durch, Lurch“. Ab 12. Elefanten Press, 26,90DM

Meja Mwangi: „Kariuki“. Ab 10. dtv junior pocket, 9,80DM