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Abzockende Lebenshilfe?

■ Hamburger Esoterikmesse umstritten: Erstmals zusammen mit der „aktiv 97“

Der Duft von Sandelholz, Myrrhe und Rosenwasser, tiefe Gongtöne und sphärische Musik beherrschten die Hamburger Messe in den vergangenen Tagen. Fließend fand der Übergang statt von der „aktiv 97“, der ersten Ausstellung über Naturkost, -kosmetik, -heilkunde und ökologisches Leben, zur Esoterikmesse „Lebensfreude“.

Die Schau der – unter anderen – Geistheiler, Lebensberater und Verleger von Meditationsmusik und Esoterikbüchern hatte in den vergangenen Jahren das Curio-Haus an der Rothenbaumchaussee fast aus den Nähten platzen lassen. Jetzt präsentierte sie sich erstmals zusammen mit der Gesundheitsmesse auf dem Hamburger Messegelände. Nach Ansicht vieler Heilpraktiker „war das keine gute Idee“. Sie sahen sich mit einer Gruppe in einen Topf geworfen, mit der sie „eigentlich nichts gemein haben“: den Geistheilern.

„Es ist nichts dagegen zu sagen, wenn ein Heilpraktiker auch Aromatherapie, Reiki (Energieübertragung), Klangtherapie oder Meditation anbietet – aber hier tummeln sich Leute, die Therapien anbieten, obwohl sie gar nicht die gesetzliche Befugnis haben, überhaupt zu therapieren“, beschwerte sich eine Ausstellerin. „Man hat uns vorher nichts davon gesagt, daß beide Veranstaltungen gleichzeitig laufen würden. Wenn wir das vorher gewußt hätten, wären wir nicht auf diesen Zug gesprungen.“

Partner der „aktiv 97“waren neben dem Fachverband der Deutschen Heilpraktiker, der Deutsche Zentralverband Homöopathischer Ärzte sowie verschiedene Umweltorganisationen und die Hamburger Umwelt- und Gesundheitsämter.

Kritik gab es aber auch von Seiten einiger Lebensberater: „Es gibt hier viele Leute, die die Probleme der Menschen ausnutzen, um sie abzuzocken“, sagte etwa die Münchnerin Renate Wörner, die an ihrem Stand für 75 Mark Tarotkarten legte. „Da geht jemand hin und läßt sich in einer Situation beraten, dann geht er zum nächsten Stand und läßt sich wieder die Karten lesen, um die vorigen zu überprüfen“, schimpfte der Berliner Lebensberater Klaus-Dieter Christen. „Wenn der dann nach Hause geht, ist er noch ratloser als vorher.“Deshalb nehme er nicht mehr an der Messe teil.

Insgesamt zählten die Veranstalter seit Freitag rund 14.000 Besucher auf dem Messegelände. Im kommenden Jahr sollen beide Messen erneut gemeinsam stattfinden. „Für das nächste Jahr haben wir bereits Anmeldungen“, so die Sprecherin des Veranstalters, Frauke Leopold, „wir gehen von rund 250 Ausstellern aus“. Herdis Lüke

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