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Bundesland Bremen gehört abgeschafft

■ Umlandbürgermeister fordern Bremens Auflösung, um Finanz-probleme zu lösen / Ergebnis einer Umfrage der Verwaltungshochschule

„Die Selbständigkeit Bremens – eine Zwischenbilanz“heißt der Titel einer Interview-Serie unter Politikern und Wirtschaftsvertretern, die Studenten der Hochschule für Öffentliche Verwaltung jetzt als Broschüre herausgegeben haben. Die Antworten der Bremer Politiker auf die standardisierten Fragen fördern Ratlosigkeit zutage. „Wenn es eine Mehrheit für eine neue Finanzverteilung im Bund gibt, sieht es gut aus, wenn nicht, sehr miserabel“, wird der frühere Senatspräsident Hans Koschnick noch am deutlichsten von allen. Noch deutlicher werden aber die befragten Bürgermeister der Umlandgemeinden: Sie fordern eine Auflösung des Bundeslandes – als sinnvolle Lösung der Finanzprobleme.

Die Interviews zeichneten ein konzentriertes Meinungsbild aus den benachbarten Kommunen. Für alle gilt, daß sie von der derzeitigen Finanzverteilung begünstigt sind. Trotzdem gibt es schon in der unmittelbaren Umgebung Bremens keine Bereitschaft mehr, sich mit dem Bremer Problem zu identifizieren. Grund scheint die jahrelange „arrogante und ignorante Machthaltung des Bremer Senats“gegenüber den Umlandgemeinden zu sein, die die Befrager festgestellt haben.

Der Stadtdirektor von Nordenham, Wilfried Fugel, vergleicht Bremen mit Essen und Dortmund und findet es „ein merkwürdiges Gebilde hier an der Weser, diesen Zwei-Städte-Staat“. Wenn man sich nur auf historische Wurzeln berufen könne, gebe das einen „Traditionsverein, aber damit kann man kein Staatsgebilde auf Dauer betreiben“. Fugel sieht nur eine sinnvolle Perspektive: einen großen Nordweststaat, der Hamburg miteinschließt.

Als „eher schwierig“sieht Weyhes Bürgermeister Dieter Helms die Zusammenarbeit mit Bremen an. In letzter Zeit gebe es „unzählige Diskussionen“, aber „das pragmatische Umsetzen kann mangels finanzieller Mittel oft gar nicht stattfinden“. Das „Naheliegendste“ist für ihn die Eingliederung Bremens nach Niedersachsen. Bitter beklagt sich auch der Bürgermeister von Loxstedt, Klaus Kaliske. Bremerhavens Politiker hätten mehrfach Loxstedter Flächen einfach als „Ausgleichsflächen“für Industrieansiedlungen auf Bremerhavener Gebiet in Anspruch genommen. Bremen habe „einige ganz schön verprellt“. Einzige Chance: Länderneugliederung, Nordweststaat mit Hamburg.

Der Bürgermeister von Ritterhude stellt fest: Eine Auflösung Bremens würde für Ritterhude nichts bringen. Aber sonst fällt ihm ein, was alles nicht klappt: kein angemessener öffentlicher Nahverkehr, keine Abstimmung über Sportstätten.

Knallhart sieht es Hermann Rendigs, Gemeindedirektor in Stuhr: Bremen hat in vergangenen Jahrzehnten eher Sozialwohnungen gebaut, während das Umland aber die „betuchten Leute“mit Grundstücken für Eigenheime angelockt habe. Bremens Finanzsenator habe deshalb jüngst wieder die Kooperation mit den Umlandgemeinden abgelehnt und konkurriere um jeden Arbeitsplatz und um jedes Eigenheim.

Birgit-Regina Ricken, Bürgermeisterin von Schiffdorf, sieht „keine große Perspektive“für Bremen. Christoph Rippich, Bürgermeister von Achim, findet, das Land Bremen „wird nicht mehr so isoliert für sich existieren können, wie das bisher von der Bremer Politik leider ... praktiziert worden ist“. Der Stadt Achim habe man z.B. eine Woche vor der Eröffnung des Einkaufszentrums „Weserpark“geschrieben, „ihr müßt jetzt die Verkehrsschilder in Uphusen so stellen, daß das auch alles nach Bremen zeigt“– an ein Pardon ist da nicht zu denken.

Im Vorwort zu den dokumentierten Befragungen findet sich ein nachdenklicher Satz, der diesen Befund reflektiert: „Eine interessenmäßig gespaltene Region wird auf die Dauer nicht in der Lage sein, zu einem gemeinsamen Kraftquell zu werden.“

K.W.

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