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Staatsbibliothek verlangt Eintritt

■ Die Finanzmisere an den Unis treibt immer mehr StudentInnen in die Staatsbibliothek. Doch deren ambitioniertes Projekt einer Nationalbibliothek richtet sich vor allem an Spitzenforscher

Wer aus den immer schlechter ausgestatteten Uni-Bibliotheken in die Staatsbibliothek (Stabi) flieht, wird dafür künftig bezahlen müssen. Dreißig Mark pro Jahr, fünf Mark pro Woche oder eine Mark pro Tag will die Stiftung Preußischer Kulturbesitz künftig von jedem Benutzer verlangen. Das Geld soll in die Restaurierung der historischen Bestände fließen. Der genaue Einführungstermin steht noch nicht fest.

Der Obolus sei keineswegs eine „prohibitive Maßnahme“, die StudentInnen abschrecken solle, behauptet Stabi-Generaldirektor Antonius Jammers. Gleichwohl zeigt er sich wenig erfreut darüber, daß die Finanzmisere an den Unis immer mehr StudentInnen in die Lesesäle an der Potsdamer Straße treibt. „Unsere Aufgabe ist es nicht, Grundversorgung zu betreiben“, betont er.

Darin kann sich Jammers jetzt von einem Gutachten bestätigt sehen, das drei auswärtige Bibliotheksdirektoren vorgelegt haben. „Die Staatsbibliothek hat nicht die Aufgabe, das Land Berlin hinsichtlich seiner Verpflichtungen für das Berliner Bibliothekswesen innerhalb und außerhalb der Hochschulen zu entlasten“, schreiben die Gutachter. „Sie kann nicht Aufgaben wahrnehmen, für die das Land Berlin aufzukommen hat.“

Statt dessen empfiehlt das Gutachten, die Stabi solle sich langfristig zu einer Nationalbibliothek entwickeln und stärker auf die Bedürfnisse „qualifizierter Benutzer“ aus Wissenschaft und Forschung eingehen. Diese Aufgabenstellung schließe es aus, „zugleich auch Aufgaben von Public Libraries und von Undergraduate Libraries wahrzunehmen“. Das heißt im Klartext: StudentInnen sollen in den Uni-Bibliotheken bleiben, für „wissenschaftlich interessierte Berliner Bürger“ soll künftig allein die Zentral- und Landesbibliothek zuständig sein.

Während die Gutachter mehr Leseplätze für Spitzenforscher fordern, würde nach ihrer Ansicht „durch die sehr liberalen Benutzungskonditionen“ im allgemein zugänglichen Bereich der Stabi auch eine „auf ein Mehrfaches vergrößerte Arbeitsplatzzahl die Überlastung nicht verringern“. Von den dreieinhalb Benutzern pro Leseplatz und Tag sind den Bibliothekaren vor allem jene 40 Prozent ein Dorn im Auge, die überhaupt keine Stabi-Bücher aufschlagen. „Ein großer Teil der Nutzung hat mehr den Charakter eines Hauses der Begegnung (,Jahrmarkt‘) als der einer Bibliotheksnutzung im engeren Sinn“, klagen die Gutachter.

Andererseits fordern sie von der Staatsbibliothek mehr Benutzerfreundlichkeit, um „öffentliche und politische Unterstützung“ zu mobilisieren. Derzeit ist die mit rund neun Millionen Bänden größte Bibliothek Deutschlands davon noch weit entfernt. Fünf alphabetische, drei systematische und zwei Zeitschriftenkataloge sind selbst für langjährige Benutzer „nur noch schwer beherrschbar“. Ralph Bollmann

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