: "Offene Zensur"
■ Kroatiens Regierung klagt gegen Davor Butkovic, weil er aus einer US-Studie zitierte, die sie "korrupt" nennt. Der Journalist: "lächerlich"
Der kroatische Journalist Davor Butković steht seit vergangenem Donnerstag vor Gericht, nachdem ihn das gesamte Kabinett wegen der Veröffentlichung eines Berichts über Korruption in Regierungskreisen verklagt hat – er soll 1,3 Millionen Mark „Schadenersatz“ zahlen. Der Fall gilt in der Bevölkerung als weiterer Versuch, kritische Medien zum Schweigen zu bringen. Butković war bis zum vergangenen Monat Chefredakteur von „Globus“ und arbeitet jetzt wieder als normaler Redakteur. Ob dies mit dem Rechtsstreit zusammenhängt, ist unklar.
taz: Wie fühlt man sich mit einer Schadenersatzklage von über einer Million Mark im Nacken?
Butković: Diese Komödie kann doch keiner ernst nehmen. Da fühlen sich alle 22 Minister unserer Regierung durch einen Text in ihrer Ehre und Würde verletzt, obwohl sie namentlich in unserem Wochenblatt gar nicht genannt wurden. In der angeblich so gemeingefährlichen Veröffentlichung geht es lediglich um eine Analyse der US-Unternehmensberatung Kroll, die ihren Kunden davor abrät, in Kroatien zu investieren, „da die Regierung korrupt ist und unter großem Einfluß des organisierten Verbrechens steht“. Dieser allgemein gehaltenen Einschätzung habe ich nichts hinzugefügt, keinen einzigen Namen eines Ministers erwähnt, sondern den Text nur kommentarlos aus dem Englischen ins Kroatische übersetzt. Aber das gilt in diesem Land mittlerweile offenbar schon als Rufmord.
Was steht politisch hinter der Anklage? Soll „Globus“ mundtot gemacht werden?
Es geht um den Versuch, die offene Zensur einzuführen, wo jederzeit alles zur staatsfeindlichen Propaganda erklärt werden kann, wie zu Zeiten der Kommunisten. Damals hatte die KP bestimmt, was gedruckt werden darf und was nicht. Vielleicht hat die alleinregierende Partei Kroatische Demokratische Gemeinschaft (HDZ) das gleiche im Sinn. Wer weiß, wenn ich künftig schreiben sollte, „die HDZ benimmt sich nicht gerade demokratisch im Umgang mit parteiinternen Abweichlern“, dann fühlen sich 200.000 stramme Parteimitglieder in ihrem Stolz verletzt und verklagen mich kollektiv zu 200.000mal zehn Mark Schadenersatz.
Heißt das, die Diktatur kehrt zurück?
Dagegen wissen sich die Bürger schon zu wehren. Fragt man die Menschen auf der Straße, dann sagen sie einem, natürlich sind viele Politiker korrupt, und natürlich brauchen wir eine freie und unabhängige Presse, die Kungeleien und Schmiergeldaffären aufdeckt. Es gibt keine Anzeichen dafür, daß wir Journalisten arbeitslos werden. Und das wird sich so schnell nicht ändern.
Wie ist die Lage der Presse in Kroatien denn im Vergleich zu den anderen Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawien?
Wirklich finster ist die Lage in Serbien und im kriegsgeschüttelten Bosnien. Meiner Meinung nach fehlen dort, anders als in Kroatien, alle Voraussetzungen eines bürgerlichen Journalismus'. Die Bevölkerung ist so verarmt, daß sie sich keine Zeitungen leisten kann, und kritische Journalisten leben immer in der Gefahr, ihr Engagement mit dem Leben bezahlen zu müssen. Diesen Teufelskreis konnten selbst die unzähligen internationalen UNO- und EU- Vermittler nicht aufbrechen, und mit Nato-Truppen kann man nicht gegen Armut und Unfreiheit ankämpfen.
Und wie, glauben Sie, wird sich die Medienlandschaft in Kroatien entwickeln?
Da bin ich zuversichtlich. Diese Komödien mit den Schadenersatzklagen, von denen auch schon andere Zeitungen vor „Globus“ betroffen waren, hören irgendwann auf. Unsere Regierung macht sich in meinem Fall ja sogar über die Grenzen Kroatiens hinaus lächerlich. Doch wir haben noch zwei Probleme: Zum einen ist das staatliche Fernsehen fest in der Hand der Regierung und der HDZ-Parteiführung. Und zum anderen gibt es keine landesweite, unabhängige Tageszeitung. Beides muß sich ändern und wird sich ändern.
Wer Teil Europas werden will, der muß sich öffnen. Ich rechne mit einem Durchbruch zum 1.Februar des kommenden Jahres. Dann werden wir vom „Globus“ mit einer Tageszeitung auf den kroatischen Markt gehen. Diese wird eine Startauflage von 200.000 Exemplaren landesweit haben. Konkurrenz und Kritik beleben das Geschäft. Dann werden wir viel mehr Platz haben als jetzt für kritische Recherchen und für beißende Kritik. Interview: Karl Gersuny
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