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Nigerias Junta ruft an die Urnen

■ Wahlen zu zahnlosen Bundesstaatsparlamenten stoßen nach Boykottaufruf der Opposition auf Desinteresse bei der Bevölkerung und werden von Gewalt in den Ölfördergebieten überschattet

Lagos/Berlin (AFP/taz) – Unter geringer Beteiligung haben am Samstag in Nigeria Wahlen zu den Parlamenten der 36 Bundesstaaten stattgefunden. Es war ein Wahltag im faktischen Ausnahmezustand: Alle Geschäfte waren geschlossen, der Generalstab veröffentlichte eine Erklärung, wonach „keine Bewegung von Menschen oder Fahrzeugen außerhalb der Wahlkreise erlaubt“ seien. 140.000 Polizisten waren mobilisiert, um die Wahllokale zu sichern. Die Wahllokale hatten ohnehin offiziell nur von 8 bis 15 Uhr geöffnet, aber mehrere Wahllokale öffneten mit Verspätung, weil die Wahlbeauftragten und das Wahlmaterial nicht rechtzeitig eintrafen.

Im Bundesstaat Osun im Südwesten des Landes wurde die Wahl verschoben, weil es seit letzter Woche wieder zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen den Volksgruppen der Ife und der Modakeke kommt. Bei den Kämpfen, in denen es um kommunalpolitische Rivalitäten geht, wurden seit Donnerstag mindestens 15 Menschen getötet. Auch in der Ölstadt Warri im Süden wurde die Wahl wegen Spannungen abgesagt.

Die Militärregierung Nigerias unter General Sani Abacha betrachtet die Wahl in den Bundesstaaten als weiteren Schritt zur Wiederherstellung der Demokratie, obwohl die gewählten Parlamente unter ernannten Gouverneuren arbeiten müssen und keine reale Macht bekommen. Am 25.April kommenden Jahres sollen die Abgeordneten und die Senatoren beider Kammern des Parlaments gewählt werden, am 1.August sind schließlich Präsidentschaftswahlen vorgesehen. Der Demokratisierungsprozeß soll am 1.Oktober mit der Machtübergabe an eine Zivilregierung abgeschlossen werden. Die demokratische Opposition vermutet, daß am Schluß General Abacha selber zu den Wahlen antreten wird und die Macht an sich selbst übergibt. Drei der fünf erlaubten Parteien Nigerias haben Abacha bereits zu ihrem gemeinsamen Präsidentschaftskandidaten ernannt.

Oppositionsgruppen forderten die Bevölkerung zum Boykott der Wahlen vom Samstag auf. „Die Leute sollten ihre Zeit nicht damit verschwenden“, sagte Chief Abraham Adesanya, Leiter des Oppositionsbündnisses Nadeco (Nationaldemokratische Opposition). Nach ersten Trends scheinen die 57 Millionen registrierten Wähler dem Oppositionsaufruf gefolgt zu sein. Vor allem in der größten nigerianischen Stadt Lagos ging kaum jemand an die Wahlurnen. Das lag aber auch daran, daß von einem Wahlkampf keine Rede sein konnte: Die fünf legalen Parteien haben keine Wahlprogramme, und es gab fast keine öffentlichen Wahlveranstaltungen. D.J.

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