Bremer Uni streikt spät – aber politisch

■ 1.500 StudentInnen bei Uni-Vollversammlung beschließen „politischen Streik“/ Protest gegen Ausländergesetz, Frauen-Diskriminierung und AStA-Maulkorb / Hochschule schränkt Streik ein

Die StudentInnen der Universität Bremen wollen den Hochschul-protesten eine neue politische Qualität geben. Sechs Wochen nach dem Beginn der Streikwelle beschlossen 1.500 Studierende gestern in einer Vollversammlung im Mensa-Zelt mit großer Mehrheit den Streik. Der zunächst bis zum 17. Dezember befristete Boykott der Lehrveranstaltungen soll sich nicht primär um Hochschulprobleme drehen, sondern sich gegen die allgemeinpolitische Situation in Deutschland richten.

„Wir wollen weg von rein studentischen Interessen und lieber politische Forderungen stellen“, sagte Frank Dirkopf, Vertreter des Studiengangs Psychologie. Weg mit dem Ausländergesetz, Schluß der Diskriminierung von Frauen und ein Ende der sozialen Ungerechtigkeit stehen ganz oben auf dem Forderungskatalog.

„Schließlich wollen wir Herzog nicht als Schutzpatron“, sagte Marc Kleine, Politikstudent im 3. Semester. Für die Vertreter des Rings Christlich Demokratischer Studenten (RCDS) ist die Entscheidung zum politischen Streik eine Niederlage: „Wir sind angetreten, um gegen die miserablen Studienbedingungen zu protestieren“, erklärte Claas Rohmeyer vom RCDS.

Hauptthema auf der Vollversammlung war jedoch der Ende November vom Oberverwaltungsgericht verhängte „Maulkorb“. Vertreter des AStAs dürfen sich nur noch zu Hochschulproblemen äußern. Ansonsten drohen hohe Geldstrafen.

Außerdem fordern die StudentInnen mehr Mitbestimmung in Universitäts-Gremien: Sie wollen Drittelparität und ein Ende der absoluten Mehrheit der Professoren. Die klassischen Forderungen nach mehr Geld für Bibliotheken, Ausstattung und Bafög standen dagegen nicht im Vordergrund.

Die Entscheidung von gestern wurde in den Fachbereichen vorbereitet. In der vergangenen Woche hatten sich die verschiedenen Studiengänge in internen Vollversammlungen getroffen und grünes Licht gegeben. Nur der Studiengang Mathematik/Informatik stimmte gegen Streik.

Wie der Streik und die Aktionswoche konkret aussehen soll, entscheidet jeder Studiengang selbst, der AStA koordiniert. Klar ist aber, daß ab morgen keine regulären Veranstaltungen stattfinden. Am Donnerstag ist um 11 Uhr eine weitere Vollversammlung geplant.

Die Studenten an der Hochschule Bremen beendeten dagegen gestern ihren dreitägigen totalen Veranstaltungsboykott. In der Vollversammlung wurde beschlossen, die Streikposten abzuziehen und die Hochschultüren nicht weiter mit Ketten zu verriegeln. „Was wir jetzt haben, ist ein „Streik-light"“, sagte die AStA-Vorsitzende Annette Volkens. Denn die Mehrheit der anwesenden Studenten stimmte dafür, den Fachbereichen die Entscheidung zu überlassen, ob Veranstaltungen weiter bestreikt werden sollen. Am Mittwoch soll aber gemeinsam mit der Universität Bremen demonstriert werden.

Die Entscheidung der Vollversammlung hinterließ bei vielen Studenten eine zwiespältiges Gefühl. „Einerseits ist es wichtig Dampf zu machen, andererseits will man sich nicht selber schaden“, meinte Erstsemester Mario Moschner. Schon jetzt seien Veranstaltungen ausgefallen, die für manche Studis bereits im Januar prüfungsrelevant seien. „Im Gegensatz zu den Studenten an der Uni müssen die Hochschüler persönliche Opfer bringen“, sagte Manni Jakobs vom AStA. ce/susa