piwik no script img

StudentInnen besetzen FU-Präsidialamt

■ Uni-Chef Gerlach ist weiter gegen Nachverhandlungen. Statt dessen will er die für morgen geplante Studentendemo für sich vereinnahmen

Der Protest der StudentInnen radikalisiert sich jetzt auch in Berlin. Gestern nachmittag besetzten StudentInnen des Otto-Suhr-Instituts (OSI) das Präsidialamt der Freien Universität (FU). Präsident Johann Wilhelm Gerlach war auf die Aktion offenbar vorbereitet: Als die TeilnehmerInnen einer OSI-Vollversammlung vor das Gebäude zogen, hatte er bereits die Türen verschließen und Polizei anfordern lassen. Die Beamten riegelten das Gebäude ab, nachdem rund 150 StudentInnen durch die Fenster eingedrungen waren. Weitere 200 angehende PolitologInnen verharrten im Vorgarten.

Die Lage spitzte sich zu, als Präsidialamtsleiter Peter Lange immer mehr Polizisten aufmarschieren ließ. Als diese mit rüden Methoden den Zugang zu räumen versuchten, kam es zu Rangeleien. Aus einem Fenster verkündeten StudentInnen, Gerlach habe sich nicht verhandlungsbereit gezeigt und gedroht, das „Hausrecht durchzusetzen“. Die StudentInnen fordern die Aussetzung des Hochschulstrukturplans, der eine Halbierung der Professorenstellen vorsieht.

Nach Einbruch der Dunkelheit begann sich die Situation jedoch zu beruhigen. Als StudentInnen an einem offenen Fenster zu musizieren begannen, nahm die Stimmung eher Volksfestcharakter an. Gerlach solle doch mit dem Schlafsack in seinem Büro übernachten, hieß es. Schließlich drehe er ja auch seine Zigaretten selbst. Die StudentInnen begannen sich um Essen und Trinken für die BesetzerInnen zu sorgen. Uni-Pressesprecher Uwe Nef sagte, jetzt komme es darauf an, wer „die stärkeren Nerven“ habe. Aus versicherungstechnischen Gründen sei es aber nicht möglich, die BesetzerInnen unbeaufsichtigt im Gebäude übernachten zu lassen.

Unterdessen wurden die Stimmen lauter, die die Eskalation an der FU auf das ungeschickte Agieren des Präsidenten zurückführen. Gerlach erklärte sich zwar mit den StudentInnen solidarisch, lehnt aber im Gegensatz zu seinen Kollegen an der HU und TU ein Aussetzen der Strukturplanung weiter ab. Gestern lieferte er ein neuerliches Meisterstück: Er rief für morgen um 14 Uhr zu einer Demonstration der Uni-MitarbeiterInnen vom Brandenburger Tor zum Roten Rathaus auf. Für diesen Zeitpunkt hatten bereits die Studierenden zu einer „Mittwochsdemo“ auf der gleichen Route aufgerufen.

TU-Präsident Hans-Jürgen Ewers schloß sich Gerlachs Demonstrationsaufruf „Umdenken – nicht aussitzen“ an. Berlin sei zur „Hauptstadt des Bildungsabbaus“ geworden. Die „große Sympathie in der Bevölkerung“ für den studentischen Protest zeige, „daß die politischen Entscheidungsträger inzwischen die Bodenhaftung verloren haben“. Ewers will seine Untergebenen für die Demo-Teilnahme aber nicht vom Dienst befreien. „Ausgefallene Arbeitszeit muß nachgeholt werden“, betonte er. Ralph Bollmann

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen