: Arbeitslose sind pessimistisch
■ Zahl der Arbeitslosen steigt auf 4,32 Millionen. Studie: Immer weniger glauben an einen erneuten Einstieg in die Berufswelt. Neid auf Ausländer, die "Deutschen Jobs wegnehmen"
Nürnberg/Berlin (AP/dpa) – Die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland ist im November um rund 31.000 gegenüber dem Vormonat auf 4,321 Millionen gestiegen. Die Quote liegt damit bundesweit bei 11,3 Prozent, meldete gestern AP mit Berufung auf eine ungenannte, aber „sichere“ Quelle. Im Vormonat betrug sie 11,2 Prozent. In den alten Ländern blieb die Zahl der Arbeitslosen mit einer Quote von 9,5 Prozent nahezu gleich, in den neuen Ländern stieg sie von 18,2 auf 18,3 Prozent.
Aus einem gestern in Berlin vorgelegtem Arbeitslosenreport 1997 geht hervor, daß immer weniger Arbeitslose an einen erneuten Einstieg in die Berufswelt glauben. Nahezu zwei Drittel der Arbeitslosen in Ostdeutschland und knapp 60 Prozent im Westen hielten ihre Chancen für nicht gut beziehungsweise für fast aussichtslos. „Die Belastungs-, Kompromiß- und Duldungsbereitschaft ist in Ost und West seit 1994 ständig gestiegen“, heißt es in dem vom Sozialwissenschaftlichen Forschungszentrum Berlin-Brandenburg und dem Unabhängigen Meinungsforschungsinstitut Info herausgegebenen Report.
Zum Zeitpunkt der Befragung im Mai dieses Jahres war im Osten den Angaben zufolge jeder vierte und im Westen jeder zehnte Erwerbsfähige arbeitslos oder unterbeschäftigt. Im Osten sei der Anteil der Haushalte, in denen mehrere Mitglieder gleichzeitig von Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung betroffen seien, dreimal höher als im Westen.
Die oft unterstellte Neigung der Arbeitslosen zur „sozialen Hängematte“ könne nicht bestätigt werden, heißt es. 90 Prozent der rund 1.500 Befragten strebten danach, schnell wieder einen Job zu bekommen. Für eine Anstellung würden drei von vier Arbeitslosen einen sehr langen Anfahrtweg in Kauf nehmen. Mehr als zwei Drittel würden auch eine weniger interessante Tätigkeit annehmen.
Die Ursachen der Arbeitslosigkeit würden in Ost und West weiter unterschiedlich beurteilt. Arbeitslose im Osten fühlten sich mehr als Opfer der „westdominierten Vereinigungspolitik“. Ursachen, die bereits in der DDR angelegt waren, würden dagegen immer weniger genannt. So werde die SED-Mißwirtschaft nur noch von 32 Prozent als Ursache genannt gegenüber 43 Prozent im Jahr 1992. Brisant sei, stellt der Report klar, daß in Ostdeutschland am zweithäufigsten „die vielen arbeitenden Ausländer“ als Ursache (43 Prozent) genannt würden. Aber auch im Westen wurden „die vielen Ausländer, die hier arbeiten“, von mehr als 37 Prozent der Arbeitslosen für die Misere auf dem westdeutschen Arbeitsmarkt als dritthäufigste Ursache genannt.
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