piwik no script img

Der Charme der frühen Jahre

■ Neuer Bildband eines Hamburger Fotografen porträtiert das alte St. Pauli

Prostituierte und Spieler, Trinker und Passanten: Den Charme des berühmten Hamburger Stadtteils St. Pauli vor rund vierzig Jahren porträtiert der neue Bildband „Das Herz von St. Pauli“. Die durchgehend in schwarz-weiß aufgenommenen Bilder des Fotografen Herbert Dombrowski spiegeln eindringlich die Atmosphäre eines von Arbeit und Amüsement geprägten Stadtteils wider. Hafenarbeiter mit Schippermützen und ernsten Gesichtern, Szenen intensiven Handelns auf dem Fischmarkt, Fotos aus Spielstuben und Trinkhallen – Dombrowskis Milieustudien sind auch ein Blick in die Geschichte der Hansestadt.

„Das Herz von St. Pauli ist es bestimmt nicht mehr“, sagt der jetzt 81 Jahre alte Dombrowski über die Reeperbahn, „die sündigste Meile der Welt“. Der weltberühmte Hamburger Rotlichtbezirk, der alljährlich Tausende von Touristen an die Elbe lockt, sei heute in weiten Teilen eine „Illusion“. Der Kiez „ändert sich jeden Tag“, meint der gebürtige Hamburger, der unter anderem für die Zeitschriften Stern und Spiegel fotografierte. An die von Hans Albers in seinem Lied „Auf der Reeperbahn nachts um halb eins“besungene Straße von einst erinnere heute kaum noch etwas.

„Die Bilder haben alle Romantik, und alle bieten etwas zum Schmunzeln“, charakterisiert der Fotograf, der mit „Licht über Altona“bereits einen anderen Stadtteil Hamburgs porträtiert hat, seine aus dem Jahr 1956 stammenden Aufnahmen.

Ein Vorwort von Wilhelm Bartels, der das Viertel mit seinen Hotels, Gaststätten und Unterhaltungsbetrieben nach dem Krieg maßgeblich prägte, schildert die Auf- und Umbruchjahre eines Stadtteils, der heute für viele zu einem Symbol von Gewalt und Sex geworden ist. Damals habe ein Bier noch zwischen 15 und 27 Pfennig gekostet und Auseinandersetzungen wurden nicht mit der Pistole, sondern mit der Faust geklärt, schreibt der 83jährige, den viele als „König von St. Pauli“bezeichnen. bü/bj

Das 110seitige Buch ist im Dölling und Galitz Verlag in Hamburg erschienen und kostet 29,80 Mark.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen