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Banken und Versicherungen grenzenlos

■ Erfolg der WTO-Verhandlungen hängt von den USA ab, die auf weitere Marktöffnung in Südostasien und Lateinamerika drängen

Genf (taz) – Intensiv verhandeln derzeit die Vertreter der 128 Mitgliedsstaaten der Welthandelsorganisation (WTO) über den weltweiten Marktzugang von Banken, Versicherungen und Vermögensverwaltungen. Bis Freitag um Mitternacht soll ein Abkommen über die Liberalisierung von Finanzdienstleistungen fertig sein. Erfolg oder Mißerfolg hängen ähnlich wie bei den Klimaverhandlungen in Kioto in erster Linie von der Haltung der USA ab. Unter dem massiven Druck heimischer Unternehmen und des Kongresses verlangt die Regierung unter Bill Clinton von ihren Handelspartnern weitgehende Marktöffnungen. Dazu aber sind besonders südostasiatische und lateinamerikanische Staaten bislang nicht bereit.

Bereits vor zwei Jahren scheiterte ein bereits fertig ausgehandelter Vertrag am innenpolitischen Widerstand in den USA, dem größten nationalen Finanzdienstleistungsmarkt der Welt. Auf Vermittlung der EU kam damals eine Interimsvereinbarung zustande. Für den Abschluß eines endgültigen Vertrages setzten sich die WTO-Staaten damals die Frist 12. Dezember 97. Inzwischen haben 59 WTO-Mitglieder – darunter die USA, Japan und die EU – neue Liberalisierungsangebote vorgelegt, die über ihre Offerten von 1995 hinausgehen. Dies decke 90 Prozent des internationalen Handels mit Finanzdienstleistungen ab, argumentieren die WTO- Unterhändler der EU.

Vor allem die europäischen Banken sind stark an einer Expansion auf den US-amerikanischen Markt interessiert. Sie drängen die EU-Kommission, auf der Basis der jetzt vorliegenden Liberalisierungsangebote ein Abkommen zu besiegeln. Auch Japan und Kanada wären zu einem Abschluß bereit. Doch die US-Regierung besteht auf neue Marktöffnungsangebote einer Reihe von Staaten, die für die US-Industrie von Bedeutung sind, darunter Indien, Indonesien, Thailand und Brasilien. Zudem sind die USA unzufrieden mit dem neuesten Angebot Malaysias, wonach ausländische Versicherungen künftig bis zu 51 Prozent der Anteile einheimischer Unternehmen besitzen dürfen. Clintons Unterhändler verlangen, daß die US-Versicherungen auch 100 Prozent der Unternehmensanteile übernehmen dürfen.

Hinter dieser Forderung steht vor allem der Versicherungskonzern American International Group (AIG), der über eine sehr einflußreiche Lobby in Washington verfügt und große Expansionspläne für Südostasien hat. AIG besitzt bereits ein hunderprozentiges Tochterunternehmen in Malaysia und fürchtet nun, zum Verkauf von Anteilen gezwungen zu werden, falls in einem WTO-Abkommen die malaysische Vorgabe akzeptiert wird. Von Süd-Korea fordern die USA, bei den WTO-Verhandlungen ein ebenso weitreichende Liberalisierungen anzubieten, wie Seoul sie letzte Woche gegenüber dem Internationalen Währungsfonds als Gegenleistung für dessen Milliardenhilfen eingeräumt hat.

Präsident Clinton muß sich ein WTO-Abkommen über Finanzdienstleistungen vom Kongreß absegnen lassen. Doch die ohnehin WTO-skeptische Stimmung unter den Senatoren und Abgeordneten wurde in der letzten Woche noch verschärft durch das Urteil eines WTO-Schiedsgerichtes. Es hatte die gemeinsame Klage Washingtons und Brüssels gegen Japan wegen Tokios angeblicher Diskriminiserung von Kodak und anderen Photoherstellern aus den USA und Europa zurückgewiesen. In den südostasiatischen Staaten wiederum haben nach Einschätzung von Experten im Genfer WTO- Hauptquartier die Turbulenzen auf den Finanzmärkten die Bereitschaft zu weiteren Marktöffnungen gebremst. Die Experten sind sich allerdings uneinig, ob der Abschluß des WTO-Abkommens zu einer Verschärfung dieser Turbulenzen führen würde oder vielmehr zu einer Stabilisierung der Lage. Andreas Zumach

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