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Kalihalden versalzen Rheinländern die Suppe

Die Kaligruben im Elsaß machen das Grundwasser im Oberrheingraben doppelt so salzig wie das Nordseewasser  ■ Von Carola Schmitz

Freiburg (taz) – Da glaubt unsereins immer an die gute französische Küche. Dabei wird im Elsaß seit Jahrzehnten versalzene Suppe serviert, und zwar grenzüberschreitend. Chefkoch ist die Firma Mines Dominales de Potasse d'Alsace (MDPA), Betreiberin des Kalibergbaus im elsässischen Wittelsheim bei Mulhouse. Seit 1910 wird hier Kalisalz aus bis zu 1.000 Meter tiefgelegenem Salzgestein gewonnen. Ungeliebtes Nebenprodukt sind die Rückstandssalze. Nicht nur im Elsaß, auch auf badischer Seite weisen bis heute Gebiete mit bis zu 80 Meter hohen Abraumhalden darauf hin, wo abgebaut wurde oder noch wird.

Während die Kali und Salz AG in Baden ihren Betrieb 1973 aus wirtschaftlichen Gründen einstellte, hielt MDPA Ausschau nach weiteren Möglichkeiten, das lästige Salzgestein loszuwerden. So wurden auf der Rheininsel bei Fessenheim vier sogenannte Absatzbecken gegraben und mit Salzlauge gefüllt, die nach der Zwischenlagerung dann später dem Rhein zugeführt wurde.

Die salzige Suppe müssen heute alle auslöffeln. Fest steht schon lange, daß sowohl die großflächigen Abraumhalden als auch die teils undichten Absatzbecken zur Versalzung des Oberrheingrabens geführt haben, Europas größtem Grundwasserspeicher. Und doch wurden erst jetzt entsprechende Ergebnisse aus den langjährigen Geländeuntersuchungen und Bohrungen unter Federführung des Regierungspräsidiums Freiburg bekanntgegeben. Fazit des Zwischenberichts: „Die höchsten Chloridkonzentrationen treten nordöstlich der Absatzbecken auf der Fessenheimer Insel auf.“

Mehr als 50 Gramm Salz pro Liter wurden hier gemessen – mehr als doppelt soviel wie in der Nordsee. Die Grenze für Trinkwasser liegt bei 0,25 Gramm pro Liter. „Wirklich gefährlich sind hohe Chloridwerte im Trinkwasser ja eigentlich nicht“, sagt der für Wasserversorgung und Grundwasserschutz verantwortliche Referatsleiter im Regierungspräsidium, Rudolf Blaha. „Aber rein geschmacklich macht sich das Salz eben schon bei so geringer Konzentration bemerkbar.“

Wie wenig Spielraum den im Einzugsgebiet der Salzfahne liegenden Gemeinden auf der Suche nach gutem Trinkwasser bleibt, zeigt das jüngste Beispiel der Grenzstadt Breisach, rund 13 Kilometer Luftlinie stromabwärts von der besagten Rheininsel. In der Hoffnung, aus einem tieferen Brunnen nitratarmes Trinkwasser ziehen zu können, schöpften die Brunnenbohrer aus hundert Meter Tiefe Wasser. Zur Überraschung der Experten des Regierungspräsidiums handelte es sich aber auch dabei um Salzwasser.

Konsequenzen will Regierungspräsident Schröder daraus jedoch nicht ziehen. Es gebe „keine akuten Gefährdungen oder Beschränkungen“ der großen Trinkwasserversorgungen, sagt er. Das sehen die Umweltschützer auf beiden Seiten des Rheins ganz anders. Wie es überhaupt möglich war, daß eine Million Tonnen Salz einfach so in den Untergrund versickern konnten, fragt sich Axel Mayer vom BUND-Regionalverband Südlicher Oberrhein. Und: Warum wurden die ganzen Untersuchungen, die Sanierung der Absatzbecken und die Sicherung der Abraumhalden fast ausschließlich aus Steuergeldern finanziert und nicht die eigentlichen Verursacher zur Kasse gebeten? Gefördert wird das grenzüberschreitende Projekt des Grundwasserschutzes auch mit EU-Mitteln.

„Ein heikles Thema“, heißt es dazu in Freiburg. Über das Ausmaß der Versalzung auf französcher Seite sei noch zuwenig bekannt, meint Wasserreferent Blaha, aber immerhin hätten sich beide Seiten auf die Erstellung eines Grundwassermodells verständigt, in das auch die Salzproblematik miteinfließen soll. Sensibles Taktieren bei den Verhandlungen sei aber angesagt.

Das Taktieren erregt den Zorn der Umweltverbände, die den Behörden Blindheit und Uneinsichtigkeit vorwerfen. Jüngstes Beispiel, das sie als Beleg anführen, sind die offiziellen Pläne der MDPA-Tochterfirma STOCA- Mines, die bis zum Jahre 2004 stillgelegten Kaliminen danach zur Zwischen- und Endlagerung von Giftmüll bereitzustellen.

Zwar wurde dem Umweltschutzverband Alsace Nature versichert, daß zunächst kein Interesse der Firma bestehe, auch strahlenden Müll einzulagern. Kurz danach erfuhr die Organisation aber, wer bereits zur Inspektion im Untergrund eingeladen wurde: kein anderer als die auf Atommüll-Lagerung spezialisierte französische Firma ANDRA.

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