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AnalyseIslamische Ökumene

■ Die OIC-Konferenz in Teheran symbolisiert vor allem Normalität

Glaubt man der iranischen Staatsführung, dann ist es das wichtigste Ereignis seit der islamischen Revolution im Jahr 1979. Hält man es dagegen mehr mit der US-Regierung und ihren engsten Verbündeten, dann ist es ein Treffen subalterner Politiker. Bis heute tagen in der iranischen Hauptstadt Teheran Vertreter von 55 Staaten unter dem Titel „Organisation Islamische Konferenz“ (OIC).

Nur die Hälfte der Mitgliedstaaten dieser 1970 gegründeten Organisation seien durch Regierungschefs vertreten, mäkeln Kritiker; immerhin die Hälfte der Mitglieder habe Präsidenten, Emire und Könige geschickt, halten Befürworter dagegen – der Rest sei durch Vizepräsidenten und Kronprinzen vertreten. Beide Seiten treiben Interessen: Die US-Regierung und ihre Freunde wollen vertuschen, daß die Teheraner Konferenz ein Erfolg ist, im Vergleich zum eigenen Versuch, in Qatars Hauptstadt Doha eine Nahost-Wirtschaftskonferenz durchzuführen. Die ist ein programmierter Flop, weil Israel den Nahost-Friedensprozeß obstruiert und deswegen kaum ein Staatschef erscheinen will. Und die Herrscher in Teheran sind stolz darauf, unter den mehrheitlich von Muslimen bewohnten Staaten der Welt endlich einmal Führungsqualitäten demonstrieren zu dürfen – aber die sind vorgegaukelt, denn für den OIC-Vorsitz heucheln die Teheraner Theokraten Gemeinsamkeiten mit Herrschern und Systemen, die sie einst im Namen des Islam stürzen wollten.

In Wahrheit demonstriert die Teheraner Konferenz nur ein Stück islamischer Normalität. Ähnlich einer ökomenischen Versammlung kommen Vertreter unterschiedlicher Gesellschaften und Glaubensgemeinschaften zusammen und tun vor allem eines: sich nicht weh. Säkular gesonnene Türken, islamistische Sudanesen, feudalistische Saudis debattieren und beschließen insgesamt 140 Resolutionen, die den Minimalkonsens beschreiben: Die Palästinenser sollen ein Recht auf einen eigenen Staat haben, der internationale Terrorismus sei abzulehnen. Militante Islamistenorganisationen sind nicht dabei – die einst im Iran erfundene Islamische Revolution findet dieser Tage in Teheran nicht statt.

Die Türkei wird – höflich – gegeißelt für ihren Militärpakt mit Israel, der Irak wird – verhalten – wieder in die islamische Staatengemeinde integriert, und selbst innerhalb der iranischen Staatsführung wird ein wenig gestritten. Doch ernste Differenzen sind bei dieser Konferenz nicht vorgesehen. Weder Jassir Arafats rigoroses Vorgehen gegen palästinensische Islamisten noch Irans und Sudans Unterstützung für ebendiese sind ein Thema. Morgen werden die Staatschefs und Vizeregenten wieder ihre Flieger besteigen und bis zur nächsten OIC-Konferenz wenig Gemeinsames tun. Thomas Dreger

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