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Schlaflos in Oldenburg

■ Zur Aktion Nachtvorlesung an der Carl-von-Ossietzky-Uni kamen 1.500

Die Schlafsäcke bleiben erst einmal zusammengerollt, die Wecker eingepackt. „Zwei Wochen Streik, und wir sind immer noch nicht müde“, macht als Motto die Runde. „Nicht einmal nachts.“Es ist Donnerstagabend, längst dunkel und unglaublich voll in der Oldenburger Carl-von-Ossietzky-Universität. Knapp 1.500 Studierende haben sich neu ein- oder den Weg nach Hause gar nicht erst gefunden. Es gibt Kaffee und Blumenkohlsuppe und was die Einzelnen aus ihren Taschen kramen oder in ihren Thermoskannen warm halten. „Streik ist kein Urlaub“, meint jemand, „sondern ernsthafte Auseinandersetzung“. Mit dem Hochschulrahmengesetz, mit den Mittelkürzungen im Bildungsbereich – und mit dem eigenen Durchhaltevermögen und der Motivationsfähigkeit.

Nein, sein Interesse an universitärer Bildung sei durch die Aktionskreisarbeit „nicht geschmälert“, antwortet Richard Zap, Student der Wirtschaftswissenschaft, druckreif und versucht, sich im dichten Gedränge Gehör zu verschaffen. Aber was er sagen will, das mit den Getränken und dem Essen im Streikcafe, hat längst die Runde gemacht.

Nebenan im Raum A1 0-007 gibt es keine freien Sitzplätze mehr, Decken und Nackenrollen machen aus Tischen und Böden Lagerstätten. Professor Ulrich Knauer liest über Graphentheorie. Aber wer hier ist, hat sich freiwillig entschieden. Es gäbe auch Veranstaltungen zu Behindertenarbeit und Technischer Chemie, und in der Sporthalle könnte man sich zeigen lassen, was „Hockey einmal anders“ist. „Fitness“, doziert Matthias Rietz, der noch kein bißchen erschöpft aussieht, „bekämpft aufkommende Müdigkeit“. Und die kann heute niemand brauchen. Insgesamt 33 Nachtvorlesungen stehen auf der Liste, die letzten werden um sechs Uhr morgens zu Ende sein.

Britta Holsten ist zufrieden. Die 24jährige hat die Streikaktion mitorganisiert: „Sie ist ein Selbstläufer geworden.“Viele Lehrende hätten spontan ihre Bereitschaft zum Mitwirken signalisiert. Wie Bernd Volger, Dozent für Sportpädagogik, der neben seinen StudentInnen die ganze Nacht durchhalten will. Am liebsten hätte er die letzte Schicht übernommen. Doch da war kein Raum mehr frei. So liest er bereits kurz vor Mitternacht aus dem Buch „Die Möwe Jonathan“vor – wegen des „Phänomens der Leidenschaft“, das er auch in den StudentInnenprotesten wiederzufinden glaubt. Dennoch sei er pessimistisch: „Die StudentInnen sind nur das Fußvolk, es gibt niemanden, der für sie verhandelt.“

„Der Streik bröckelt“, meinen auch einige SportstudentInnen in der improvisierten Cafeteria. Eigentlich sei für die kommende Woche ein Staffellauf von Oldenburg nach Bonn diskutiert worden. Aber die mangelnde Begeisterung anderer Universitäten habe die Motivation merklich sinken lassen. „Und dann ist da auch noch das schlechte Wetter.“

Es ist zwei Uhr, das Seminar „Das Ziegenproblem: Theoretischer Umgang mit Wahrscheinlichkeiten“beginnt. Dozent Dubravko Dolic erläutert die Gewinnchancen in diversen Fernsehshows der Kommerzsender. Die ersten Köpfe sinken auf die Tische, doch nur Einzelne entschließen sich für den Weg ins warme Bett. Schichtwechsel. Jetzt kommen die Klügeren, die sich zuvor in diversen Kneipen mit Glühwein für die zweite Nachthälfte gewappnet haben. Das härteste kommt noch“, sagt Bernt Willers, Politikstudent im dritten Semester. „Aber um sechs winkt das Frühstück.“Das Studentenwerk zeigt sich solidarisch, indem es die Cafeteria früher öffnet. Ein paar Hundert schaffen es so lange. „Jetzt geht der Streik erst richtig los“, sagt einer, aber die meisten wollen nur noch eins: Schlafen!

Maik Günther

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