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Die Armen drängen in die Suppenküchen

Trotz Wirtschaftsbooms wachsen in den Städten der USA Armut und Obdachlosigkeit stetig weiter. Die Hilfsprogramme werden gekürzt, der Bedarf steigt, viele Hilfesuchende müssen abgewiesen werden  ■ Aus Washington Peter Tautfest

Der Trend ist seit zehn Jahren ungebrochen und scheint vom Auf und Ab der Wirtschaft kaum berührt zu werden: Die Armut in den Städten der USA steigt. Trotz Wirtschaftsbooms, trotz leergefegten Arbeitsmarkts, trotz Rückgang der Anzahl der Sozialhilfeempfänger wächst die Obdachlosigkeit und die Zahl der Menschen, die sich dauerhaft oder vorübergehend nicht selbst ernähren können. Die Obdachlosenasyle müssen Menschen abweisen, und die Schlangen vor den Suppenküchen werden länger, obwohl die Mittel dafür zusammengestrichen werden.

Gestern veröffentlichte der US- amerikanische Städtetag seinen jährlichen Bericht, der auf der Untersuchung von 29 Städten des Landes basiert. Im Jahr 1997 stieg in den Großstädten die Zahl der Menschen, die sich Obdach suchend an kommunale oder private Organisationen wenden, um drei Prozent. Bei der Mehrzahl der Hilfesuchenden handelt es sich um Familien mit Kindern. Den dramatischsten Anstieg findet man bei der Zahl derer, die Notprogramme für Nahrungsmittelhilfe in Anspruch nahmen, sie stieg um 16 Prozent, das ist der stärkste Anstieg seit 1992.

Größer ist auch der Anteil jener geworden, die Hilfe in Anspruch nehmen, obwohl sie einer schlechtbezahlten Arbeit nachgehen, 66 Prozent der Hungernden oder Obdachlosen aber sind arbeitslos. 44 Prozent gaben an, daß ihnen nach der Reform des Sozialhilfegesetzes die staatliche Hilfe gestrichen wurden. Der Druck auf Suppenküchen und Notunterkünfte ist derart gewachsen, daß die Städte den Bedürfnissen der Menschen nicht mehr nachkommen können. Ein Fünftel derer, die Nahrungsmittelhilfe suchen, und 27 Prozent der Obdachsuchenden mußten nach Auskunft der Bürgermeister wieder weggeschickt werden.

Zwei Gründe sind es vor allem, die dafür verantwortlich sind, daß trotz Wirtschaftsbooms viele Menschen in den Städten keine oder nur schlecht bezahlte Arbeit finden. Die Arbeit ist dem seit 1950 anhaltenden Migrationstrend von den Innenstädten in den suburbanen Raum gefolgt und hat dabei ihren Charakter gewandelt.

Während die Fertigungsindustrie bis Mitte der 60er Jahre noch in der Mehrzahl ungelernte Arbeitskräfte anstellte, sind die Zuwächse heute in der High-Tech- und Dienstleistungsbranche zu verzeichnen. Die Nachfrage nach hochqualifizierten Arbeitskräften im High-Tech-Sektor steigt derart rapide, daß manche Industrien sich auf die Anwerbung von Fachkräften im Ausland verlegen müssen. Während zum Beispiel in Washington D.C. die Arbeitslosigkeit um 10 Prozent liegt (national 4,8 Prozent), sind im nördlichen Virginia vor den Toren der Hauptstadt 10.000 Stellen in der High-Tech- Industrie unbesetzt.

Diese Jobs sind im doppelten Sinne für viele Jobsuchende in den Städten unerreichbar. Ihnen fehlt dafür die notwendige Bildung – zumal das städtische Schulwesen durch die Abwanderung Besserverdienender und sinkende Steuereinnahmen mehr und mehr verkam – und sie haben mangels eigener Autos und oft unzureichend ausgebauten öffentlichen Nahverkehrs keine Möglichkeit, selbst jene niedriger qualifizierten Arbeitsstellen zu erreichen, die immer im Gefolge von hochbezahlten Stellen entstehen.

Zwar haben die kommunalen Verwaltungen im Gefolge der Sozialhilfereform Dauerarbeitslose in neue Jobs zu holen versucht und Programme zu deren Qualifikationen angeboten, doch es stehen einfach nicht genügend minderbezahlte Arbeitsplätze zur Verfügung. Hinzu kommt, daß viele ehemals von der Sozialhilfe lebende Menschen durch den Übertritt in niedrig bezahlte Jobs ihre Krankenversicherung sowie die Unterbringungsmöglichkeiten für ihre Kinder verloren haben.

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