: Rumäniens Staatschef auf Werbetour in Deutschland
■ Nationalisten geben in Bukarest zunehmend den Ton an. Angriffe auf ungarische Minderheit
Berlin (taz) – Nach über einjähriger Amtszeit war es gestern soweit: Der rumänische Staatspräsident Emil Constantinescu traf zu seinem ersten offiziellen Besuch in Deutschland ein. Das Ziel der Visite ist klar: Constantinescu will sein Land deutschen Investoren empfehlen und nebenbei auch noch die euroatlantische Integration Rumäniens vorantreiben. Doch das dürfte nicht so einfach sein. Denn wieder einmal feiert der Nationalismus in Rumänien fröhliche Urständ.
„Wir sind äußerst besorgt über die derzeitige Entwicklung in Rumänien“, erklärte die Bürgerrechtlerin und Vorsitzende der „Liga Pro Europa“, Smaranda Enache, gegenüber der taz. In einem Brief von Dienstag abend appellierten Enache und der Vorsitzende des rumänischen Helsinki-Komitees, Gabriel Andreescu, an Premierminister Viktor Ciorbea, die Rechte der Minderheiten zu respektieren.
Besonders die ungarische Minderheit in Siebenbürgen ist seit einiger Zeit wieder vermehrt nationalistischer Hetze und Propaganda ausgesetzt. Schon seit Monaten wettern die großen rumänischen Tageszeitungen gegen die „Überfremdung“ Rumäniens und die Absichten ungarischer Lokalpolitiker, die mehrheitlich von Ungarn bewohnten Gebiete „ethnisch säubern“ zu wollen. Ausgerechnet die auflagenstärkste größte Tageszeitung Adevarul (Wahrheit) steht an der Spitze des Kampfes gegen die „Bedrohung des Rumänentums“ in Siebenbürgen.
Dabei hatte nach den Wahlen vom Herbst vergangenen Jahres alles ganz vielversprechend begonnen. Mit der Beteiligung des Ungarischen Demokratischen Verbandes an der christdemokratisch-sozialdemokratisch-liberalen Regierungskoalition schien sich auch in Rumänien der Wille zur Versöhnung mit den Minderheiten durchzusetzen. Die Regierung versprach, die Forderungen des Ungarnverbandes zu erfüllen. Das heißt, den muttersprachlichen Unterricht zu garantieren, den Gebrauch der Muttersprache in den Behörden zu gestatten sowie zweisprachige Ortstafeln in Orten anzubringen, in denen die Minderheiten mehr als 30 Prozent der Bevölkerung ausmachen. Im Ausland wurde die Lösung der „Minderheitenfrage“ bereits als vorbildlich gewürdigt.
Wohl etwas vorschnell. In der vergangenen Woche stimmte die Mehrheit der Abgeordneten im Parlament gegen das liberale Unterrichtsgesetz. Als die Vertreter der Ungarn mit dem Austritt aus der Regierung drohten, versuchte Constantinescu zu vermitteln. Der Präsident würde das Gesetz in der vorliegenden Form nicht unterzeichnen, hieß es lakonisch in einer Stellungnahme aus dem Präsidialamt nach Abschluß der Vermittlungsgespräche.
Doch Rumäniens Staatschef kämpft nicht nur gegen den brodelnden Nationalismus. Erst vor einigen Tagen hatten drei Minister eine Erklärung zur Wiedereinführung der Monarchie unterschrieben. Die Unbotmäßigkeit der Kabinettsmitglieder wurde in einer Verlautbarung des Präsidialamtes als Verstoß gegen die Verfassung eingestuft. Die promonarchistischen Minister gaben dem Druck von oben nach und „bereuten“ öffentlich ihren Fehltritt.
Im Gegensatz zu Constantinescu. Der hatte am Nikolaustag an einer Veranstaltung der ehemaligen „Bewaffneten antikommunistischen Widerstandskämpfer“ teilgenommen und sich bei den Beteiligten für ihren Einsatz gegen das alte Regime bedankt. Im Saal, der mit dem Bildnis des Erzengels Michael geschmückt war, befanden sich uniformierte Jugendliche einer rechtsextremen Organisation, die sich als Nachfolger der „Legion des Erzengels Michael“ zu erkennen gaben.
Die „antikommunistischen Widerstandskämpfer“ erklärten, sie seien Mitglieder der in der Zeit zwischen den Weltkriegen entstandenen rechtsextremistischen „Legion des Erzengels Michael“ gewesen. Nach dem Auftritt des Präsidenten wurden rechtsextreme Manifeste und Drucksachen verteilt, berichtete die Bukarester Zeitung RomÛnia libera. Das gleiche Blatt fühlte sich aber auch bemüßigt, dem Staatspräsidenten eine Brücke zu bauen. Constantinescu sei eben in eine Falle getappt. Niemand hätte ihn vorher informiert, um was für eine Veranstaltung es sich handele. William Totok
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