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Nur Indizien für die Schuld am Terror

Die Staatsanwaltschaft hält Terry Nichols für schuldig, im April 1995 am Bombenanschlag von Oklahoma City beteiligt gewesen zu sein. Nach den Schlußplädoyers müssen jetzt die Geschworenen beraten  ■ Aus Washington Peter Tautfest

Am Montag ging der zweite Akt des Gerichtsdramas um den Bombenanschlag von Oklahoma City zu Ende, der am 19. April 1995 insgesamt 168 Menschen getötet und 500 weitere verletzt hatte. Nach den Schlußplädoyers im Prozeß gegen Terry Nichols (42), dem mutmaßlichen Komplizen Timothy McVeighs (29), zogen sich die Geschworenen zur Beratung zurück. Die Verfahren waren auf Anweisung des Richters Richard Matsch getrennt worden, um einen fairen Prozeß für beide zu gewährleisten. Timothy McVeigh war im Juni dieses Jahres für schuldig befunden und zum Tode verurteilt worden. Auch Terry Nichols droht die Todesstrafe.

Die Anklage behauptet, Terry Nichols habe zusammen mit Timothy McVeigh, mit dem er sich während seiner Zeit in der Armee angefreundet hatte, den Bombenanschlag ausgeheckt, das Material sowie das Geld zu seiner Durchführung durch Einbrüche beschafft und McVeigh bei der Organisation der Flucht geholfen. Der renommierte Strafverteidiger aus Texas, Michael Tigar, hat in sieben Tagen 92 Entlastungszeugen befragt. Sein Hauptargument ist, daß Terry Nichols am Tag der Bombenexplosion nicht in Oklahoma City war. Das Hauptmotiv seiner Verteidigungsstrategie lautete: Terry Nichols war dabei, sich sein Leben aufzubauen, nicht eine Bombe zu basteln.

Beim Plädoyer der Anklagevertretung könnten Didaktiker sich eine Scheibe abschneiden. Staatsanwältin Beth Wilkinson baute im Gerichtssaal zwei Tafeln auf, deren eine das Alfred-P.-Murrah- Gebäude in Oklahoma City und deren andere dessen Ruine kurz nach der Explosion zeigte. Verbunden waren beide Bilder durch eine Straße. „Terry Nichols begab sich auf einen verhängnisvollen Weg, der in die Katastrophe und zum größten Akt heimischen Terrorismus in der Geschichte des Landes führen sollte“, erklärte sie.

Der Weg war von Meilensteinen gesäumt, die für die jeweiligen Indizien standen: Da waren die in Terry Nichols' Haus gefundenen Quittungen für den Ankauf von 1.000 Kilogramm Ammoniumnitrat, jenem Düngemittel, das mit Rennwagenbenzin versetzt den Grundstoff der explosiven Mischung abgab. Auf der Quittung waren McVeighs Fingerabdrücke.

Eine Zeugin hatte bekundet, Terry Nichols nach dem Bombenattentat dabei beobachtet zu haben, wie er Düngemittel dick wie Schnee auf seine Felder aufbrachte – um den restlichen Stoff verschwinden zu lassen, wie die Anklage behauptet. Da waren auch die bei einem Einbruch in einem Steinbruch gestohlenen Zündkapseln von jener Art, wie sie zur Explosion der Bombe benutzt worden waren, ebenfalls bei Terry Nichols zu Hause gefunden.

Die Anklage konnte mit Hilfe von Telefonkarten eine Reihe von Anrufen zwischen Nichols und McVeigh nachweisen. Am Vorabend des Bombenanschlages bekam Terry Nichols einen Anruf angeblich aus Omaha, sein Freund McVeigh bat ihn um Hilfe, weil sein Wagen liegengeblieben war. Tatsächlich, so behauptet die Anklage, kam der Anruf aus Oklahoma City, und Nichols half McVeigh, einen Fluchtwagen in Oklahoma City zu parken.

Anders als McVeigh hatte Nichols einen Anwalt seiner Wahl – einen Staranwalt. Michael Tigar baute seine Verteidigung darauf auf, daß Nichols seine Kontakte zu McVeigh abgebrochen hatte, wie er es seiner jungen philippinischen Frau Marife versprochen hatte; daß niemand Nichols zusammen mit McVeigh gesehen hatte; daß McVeigh vielmehr mit Leuten gesehen wurde, die viel eher auf die Beschreibung des Phantombildes paßten, das kurz nach dem Bombenanschlag herausgegeben worden war; daß McVeigh vor allem mit Leuten gesehen wurde – unter anderen mit dem Deutschen Andreas Strassmeir –, die dem Verdacht Nahrung geben, daß hinter dem Anschlag eine Verschwörung steht.

Tigar gelang damit etwas, woran die Verteidigung McVeighs gescheitert war: die Theorie einer Verschwörung in den Prozeß einzuführen. Kritiker machen geltend, daß selbst die Aufdeckung einer Verschwörung die wissentliche oder unwissentliche Teilnahme Nichols daran nicht ausschließt. Die Vernehmung von Marife Nichols durch die Verteidigung geriet aber eher zu einem Eigentor. Marife sprach von dem ruhelosen und nomadischen Leben ihres Mannes und konnte ihm kein Alibi geben.

Die Zeugenvernehmung hat sich bis in die Vorweihnachtszeit hingezogen, in der die Geschworenen eher milde gestimmt sind. Sie werden schnell ein Urteil finden: Sie wollen nach Hause.

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