Plädoyer für Schneider

■ Anwälte des Ex-Immobilienspekulanten betonen „erhebliche Mitschuld“ der Banken

Frankfurt/Main (taz) – An den Fenstern des Foyers im Frankfurter Landgericht wuchsen gestern Eisblumen aus der Spraydose. Die Justizangestellten feierten Weihnachten. Drinnen im Saal 165 C versuchten die Verteidiger des Ex- Immobilienspekulanten Jürgen Schneider, ihrem Mandanten das Fest hinter Gittern zu ersparen. Sie plädierten dafür, ihn in den fünf angeklagten Fällen nicht wegen schweren, sondern allenfalls wegen einfachen Betrugs zu verurteilen. Noch angemessener aber erschien es ihnen, Schneider lediglich Krediterschleichung anzulasten – was eine Höchststrafe von jeweils nur drei Jahren bedeuten könnte. Zusammengezogen, so Rechtsanwalt Franz Salditt, müßte das auf jeden Fall erheblich unter den sieben Jahren und neun Monaten Haft liegen, die die Staatsanwaltschaft vergangene Woche gefordert hatte.

Salditt widmete sich vor allem den Umständen, unter denen Schneider dreistellige Millionenkredite von den Banken bekommen hatte. Er konstatierte eine erhebliche Mitschuld der angeblich Betrogenen. Damit widersprach er Staatsanwalt Dieter Haike, der davon ausgegangen war, daß die Geldinstitute Schneider vertraut hätten und von ihm mit erheblicher krimineller Energie getäuscht worden seien. Sie hätten ihm, kehrte Salditt die Argumentation um, „paradoxerweise“ gerade deshalb soviel Geld gegeben, weil sie ihm und seinen teuren Objekten in Frankfurt, Leipzig und Berlin zutiefst mißtraut hätten. Wenn nämlich das Schneider-Imperium damals gewankt hätte, dann wäre ihre längst gefaßte Absicht, sich mit möglichst geringem Schaden unauffällig von dem faulen Kunden zu trennen, vereitelt worden. Ziel sei es vielmehr gewesen, eine „Syndizierung“ zu erreichen, also eine Übertragung der Kredite an ein Bankenkonsortium.

Richter Gehrke lächelte freundlich über Salditts Vermutung, daß die Gutachten zum Schneider- Vermögen gerade deshalb „unverschämt“ und „dreist“ positiv ausgefallen seien, weil niemand vorgehabt habe, sie zu überprüfen. Nicht Prüfung sei in der Chefetage der Deutschen Bank (DB) angesagt gewesen, sondern Krisenmanagement: „Es war die absolute Windstille der Prüfung, und das unter Sturmbedingungen.“ Die formale Kreditgeberin, die DB-Tochterbank Centralboden, habe dabei nur eine untergeordnete Rolle gespielt. Deren Kapazitäten seien ohnehin längst gesetzeswidrig um ein Mehrfaches ihres eigenen Vermögens überschritten gewesen.

Daß Schneider Quadratmeterzahlen, Mieteinnahmen und Abfindungssummen gefälscht habe, „daran beißt die Maus keinen Faden ab“, so Salditt. Aber immerhin habe er zuvor straffrei gelebt, während der Hauptverhandlung Geständnisse gemacht und die Beschuldigung aktiver Mittäterschaft gegen Banker zurückgenommen. Salditt verzichtete, genau wie seine beiden Mitverteidiger, auf die Forderung nach einem konkreten Strafmaß. Das Urteil wird am Freitag erwartet. Heide Platen