Geldregen vom japanischen Finanzamt

■ Mit einem Steuernachlaß und einer Geldspritze für den Finanzsektor will Japans Regierung die lahmende Wirtschaft beleben und dafür mehr Schulden machen. Die Aktienkurse stiegen sofort, aber Wirtschaftse

Berlin/Tokio (taz/rtr/AFP) – Japans Premier Ryutaro Hashimoto sieht sich in die Pflicht genommen, eine von Ostasien ausgehende weltweite Rezession zu verhindern. Gestern kündigte er umfangreiche Entlastungen bei den Einkommensteuern an. Zwei Billionen Yen oder 26,5 Milliarden Mark Steuern sollen die japanischen Bürger einmalig erstattet bekommen. Vermutlich wird der warme Geldregen – fast tausend Mark für eine Familie mit zwei Kindern, 250 Mark für einen Normalverdiener – im Februar und März auf die Japaner niedergehen.

Tags zuvor schon hatte die regierende Liberaldemokratische Partei ein Paket zur Rettung der angeschlagenen Wirtschaft beschlossen. Die Unternehmenssteuern werden um 850 Milliarden Yen (11,1 Millionen Mark) gesenkt. Zehn Milliarden Yen (136 Milliarden Mark) sind für den maroden Finanzsektor vorgesehen, konkret für die Absicherung der Guthaben auf Bankkonten. Dieses dürfte nach der Pleite zweier Wertpapierhandelshäuser und einer Bank im vergangenen Monat beruhigend auf die Anleger wirken.

Für die Finanzierung will der Staat höhere Schulden aufnehmen. Damit vollführt die japanische Regierung eine Kehrtwende. Denn eigentlich hatte ihr das Parlament erst kürzlich einen strikten Sparkurs verschrieben, um die jährliche Neuverschuldung bis zum Jahr 2003 von derzeit 5,4 auf drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu senken.

Während Wirtschaftsexperten die angekündigten Wohltaten skeptisch beurteilten – „zuwenig und zu spät“ war der Tenor –, reagierten die Anleger an den Börsen erfreut. Um 3,5 Prozent stieg der Nikkei-Aktienindex gestern und nahm gleich alle anderen Börsen Ostasiens mit nach oben. Auch der Kurs des Yen gegenüber dem US- Dollar erholte sich.

Hashimoto war in den vergangenen Wochen wegen der sich abzeichnenden Wirtschafts- und Finanzkrise immer stärker unter Druck geraten, zuletzt auf dem Asean-Gipfel im malaysischen Kuala Lumpur. Gestern sagte der Premierminister, er habe die Entscheidung zur Steuersenkung auf dem Gipfel getroffen. Er sei entschlossen, „eine weltweite Rezession, ausgelöst durch Japan, zu verhindern“.

Zwischen April und September ist das japanische Bruttosozialprodukt um 1,4 Prozent geschrumpft. Insgesamt, so die neueste Berechnung der OECD, dürfte die japanische Wirtschaft in diesem Jahr nur um 0,5 Prozent wachsen, das ist 0,3 Prozent weniger als die letzte OECD-Schätzung. Wegen der schwachen Konjunktur, so Hashimoto, sei eine „kühne Aktion“ nötig gewesen.

So kühn jedoch ist die Aktion nicht. Den jetzt versprochenen zwei Billionen Yen Steuersenkungen stehen zusätzliche Belastungen von neun Billionen Yen gegenüber. Soviel mußten die japanischen Verbraucher in diesem Jahr mehr zahlen, nachdem im April die Verkaufssteuer von drei auf fünf Prozent erhöht wurde, diverse Lohnsteuervergünstigungen ausliefen und Sozialabgaben erhöht wurden. Daraufhin war der private Konsum, der immerhin 60 Prozent der japanischen Wirtschaft ausmacht, eingebrochen.

Zudem herrsche unter den Verbrauchern starker Pessimismus. Daher vermutet zum Beispiel ein Analyst der Investmentbank Goldman Sachs in Tokio, daß die meisten Japaner das vom Finanzamt zurückerstattete Geld wohl eher auf die Bank als in die Geschäfte tragen würden. Die dringend notwendige Ankurbelung des privaten Verbrauchs sei somit eher unwahrscheinlich. lieb