■ Studiengebühren sollen die Finanzkrise der Hochschulen lösen und für mehr Wettbewerb zwischen den Universitäten sorgen. Woher die Studierenden aus sozial schwachen Familien das Geld bekommen sollen, vermag niemand zu sagen.
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Studiengebühren sollen die Finanzkrise der Hochschulen lösen und für mehr Wettbewerb zwischen den Universitäten sorgen. Woher die Studierenden aus sozial schwachen Familien das Geld bekommen sollen, vermag niemand zu sagen.

Die Last mit den Gebühren

Eva Mayer streikt. Seit vier Wochen besucht die 20jährige Anglistikstudentin keine Vorlesungen mehr. Die Düsseldorferin ist sich nicht aller Gründe für ihren „kreativen Ausstand“ hundertprozentig sicher. Eines aber weiß sie gewiß: „Wenn Studiengebühren erhoben werden, dann ist das Studium für mich beendet.“ Sie kann es sich nicht leisten, sagt sie, pro Semester einen Tausender zu bezahlen.

Auch Heinrich-August Winkler ist unzufrieden: über seine Parteigenossen von der SPD, besonders aber die sozialdemokratischen Bildungsminister. Ihnen kreidet es der Historiker von der Humboldt- Universität Berlin als „schweren Fehler“ an, Studiengebühren bundesweit verbieten zu wollen. Der Weimar-Experte Winkler ist sich ganz sicher, warum er Studiengebühren will. „Die Hochschulen brauchen dringend neue Einnahmequellen.“ Drei bis sieben Milliarden Mark fehlen den Hochschulen laut Rektorenkonferenz. Eine Rechnung, die niemand bestreitet.

Studiengebühren – ja oder nein? Die Frage entzweit die SPD, „mit der Studiengebühren nicht zu machen sind“ (meinte Parteichef Oskar Lafontaine erst gestern wieder), die aber mit Heinrich-August Winkler und Peter Glotz zwei äußerst medienwirksame Befürworter in ihren Reihen hat. In der Union ist es ähnlich. So vehement der bayerische Kultusminister Hans Zehetmair (CSU) gegen das bezahlte Studium votiert, so trickreich versucht es Berlins Wissenschaftssenator Peter Radunski (CDU) durchzusetzen.

Frank Ziegele mag das alles nicht mehr hören. „Wir halten uns da raus“, stöhnt er über die wüsten Mediengefechte zum Thema Studiengebühren. Ziegele ist Volkswirt beim seriösesten Protagonisten im Kampf um Studiengebühren, dem Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) in Gütersloh.

Die Gütersloher veranstalteten erst letztes Jahr eine vielbeachtete internationale Konferenz über Studiengebühren. Doch jetzt befürchten sie, daß eine Gebührendiskussion die eingeleiteten Hochschulreformen kaputtmachen würde. Die Gebühren erschlagen alle anderen Aspekte der Debatte. Bei den demonstrierenden StudentInnen ist das Verbot Punkt eins ihrer Forderungskataloge.

„Das generelle Gebührenverbot im Hochschulrahmengesetz fänden wir nicht gut“, meint hingegen CHE-Ökonom Ziegele. Denn damit wären die Chancen einer gebührengestützten Hochschulfinanzierung ein für allemal dahin. Dazu zählt: mehr Geld für die Unis, mehr Wettbewerb unter den Unis – und der Student wäre König Kunde, der gerade in der Lehre mehr Leistung verlangen könnte.

Das von Rektorenkonferenz und Bertelsmann-Stiftung getragene CHE ist bestrebt, die Gebührendebatte von der Weltanschauungsebene auf das praktisch Machbare herunterzuholen. Dabei sieht Ziegele auch Gefahren eines simplen Abkassierens, „die keiner bestreiten kann“. Dazu gehören: Gebühren schrecken sozial Schwache ab und sie könnten von den FinanzministerInnen allzuleicht mißbraucht werden – zum Stopfen staatlicher Haushaltslöcher statt zur Verbesserung der Lehre.

Anderswo gibt es bereits Studiengebühren – sozial abgefedert. Die Paradebeispiele fürs bezahlte Studium, die Niederlande und Australien, stehen dabei für zwei Arten, die rund 2.500 Mark teuren Gebühren durch ein soziales Rückgrat abzustützen: entweder durch ein staatliches Stipendium für alle Studierenden wie bei unserem westlichen Nachbarn. Oder die Möglichkeit, die Gebühren – wie in Australien – über ein Darlehen finanzieren zu können (siehe Spalte). Die bildungssoziologischen Konsequenzen sind für die Gebührenfans ein zentrales Argument: Nach der Einführung von Gebühren schrieben sich nicht etwa weniger, sondern mehr Australier an den Hochschulen ein.

Hierzulande tut man sich schwer mit dem sozialen Rückgrat. Die Ausbildungsförderung (Bafög), mittlerweile zu einem zurechtgestutzen Bonsaigewächs verkommen, war gestern Thema des Bafög-Gipfels von Kanzler Kohl und den Ministerpräsidenten. Bis zuletzt wurde versucht, aus dem Bafög für 15 Prozent der Studierenden ein „Bafög für alle“ zu machen. Daß damit das Fundament für Gebühren hätte geschaffen werden können, haben selbst die größten Gebührenfans nicht bemerkt. Vielleicht, weil es ihnen gar nicht um eine andere Hochschulfinanzierung, sondern um soziale Abschreckung geht? – In der Bundesrepublik gibt es ein zweites schweres Bedenken gegen Studiengebühren: Niemand vertraut den FinanzministerInnen. Mit der Frage „Wer kriegt das Geld?“ steht und fällt nämlich die angebliche Verbesserung der Studiensituation.

„Da muß eine gesetzliche Verpflichtung her“, fordert Frank Ziegele von den Gütersloher Uni-Beratern energisch, „daß die Mittel auf jeden Fall an den Hochschulen verbleiben müssen, um die Lehre zu verbessern.“ Sie dürften nicht in die Fänge der allseits klammen Kassenwarte der Länder geraten.

Auch die Frage, woher das Geld kommen soll, mit dem Studierende aus sozial schwachen Familien die Gebühren vorfinanzieren könnten, ist noch unbeantwortet. In Australien gibt es dafür staatliche Darlehen. Hierzulande aber ist angesichts sinkender Steuereinnahmen kaum damit zu rechnen, daß der Staat das Geld zur Verfügung stellen wird.

Die Deutsche Bank in Frankfurt erklärte gegenüber der taz zwar selbstbewußt, es sei „kein Problem für Banker, in kurzer Zeit ein Finanzierungsmodell zu entwickeln“. Ansonsten schweigt sich die Mega-Bank aus, deren Chefökonom Norbert Walter gerne über die Mißachtung von human resources an deutschen Hochschulen lamentiert. Darlehen für Studiengebühren – „das haben wir nicht zu entscheiden“.

Und auch aus dem Schloß Bellevue, dem Amtssitz des Bundespräsidenten, dringt nichts als beredtes Schweigen. Mehrfach hat sich der Gebührenpropagandist Winkler an Roman Herzog gewandt. Er solle nach seiner Berliner Rede zur Bildungspolitik nun zur Gründung eines „nationalen Bildungsfonds“ aufrufen. Doch aus Bellevue kam kein Ruck. Niemand traut sich zu sagen, woher die Gegenfinanzierung für Studiengebühren kommen soll. Christian Füller