: Geschmacklich ambitioniert
Gute Nachrichten für Weinfreunde: Ökoweine haben geschmacklich enorm zugelegt. Das Image „eingeschlafener Füße“ ist passé. Aber was heißt eigentlich „Öko“? ■ Von Eberhard Schäfer
Was ist Wein? „Ein alkoholisches Getränk, das durch Gärung aus dem Saft von frisch gepreßten Weinbeeren gewonnen wird.“ Oder: „Eine hydro-alkoholische Lösung, das heißt eine Lösung von Alkohol und pro Liter etwa 20 bis 30 Gramm anderer Substanzen in Wasser.“ So profan definiert Fachautor Eckhard Supp („Wein für Einsteiger“) das vielbeschworene Getränk der Götter.
Ökowein ist zunächst einmal auch nichts anderes. Die Flüssigkeit, die wir vom Glas ins Verdauungssystem befördern – mit den entscheidenden Zwischenstationen Zunge und Gaumen – , läßt sich geschmacklich nicht unterscheiden nach Öko oder Nicht- Öko. Die Vielfalt der Geschmäcker, Aromen und Charaktere rührt her von der Vielzahl der Rebsorten, der Anbaugebiete und nicht zuletzt vom Können und den Ambitionen der Winzer.
„Öko“ bezieht sich vor allem auf den Anbau
Und einige Winzer (gewiß, es gibt auch Winzerinnen – nicht viele, leider, aber das ist ein anderes Kapitel) bescheren uns die ökologische Alternative. Frank Brohl aus Pünderich an der Mosel, einer der Pioniere des ökologischen Weinbaus in Deutschland, erklärt, was einen Wein zum Ököwein macht. „Öko oder biologisch – diese Bezeichnung bezieht sich in erster Linie auf den Anbau. Bei der Düngung verzichten wir auf synthetischen Stickstoffdünger. Statt dessen düngen wir mit Stroh, Mist und Kompost. Damit wollen wir nicht nur das Pflanzenwachstum fördern, sondern auch die Humusbildung anregen, die Qualität des Bodens, auf dem unser Wein wächst, verbessern.“
Wein ist eine empfindliche Pflanze, biologischer Pflanzenschutz daher besonders schwierig. „In Einzelfällen müssen auch wir zum Gift greifen“, sagt Brohl. Nach den Bestimmungen des in Deutschland maßgeblichen Öko- Weinverbandes, des Bundesverbands ökologischer Weinbau (BÖW), dürfen jedoch nur ganz bestimmte Schädlinge mit jeweils genau definierten Mitteln – Schwefel- und Kupferpräparaten – bekämpft werden. Ein ebenso schwieriges Kapitel ist der Pilzbefall, vor allem durch den Mehltau. Gegen ihn wird zwischen Mai und August sechsmal gespritzt, mit einer Lösung aus Kräuterauszügen und Schwefel. Der ist, so scheint es, auch beim Ökoweinanbau notwendig. „Wenn man Weine guter Qualität produzieren will, kommt man am Schwefel nicht vorbei“, so Winzer Brohl. „Er verhindert die Oxidation des Weins. Das ist besonders wichtig, wenn man Wein machen will, der sich noch einige Jahre in der Flasche entwickeln können soll. Anfangs wollten wir auf Schwefelung verzichten, haben aber festgestellt, daß der Wein dann wie eingeschlafene Füße schmeckt.“
Dem kann Peter Scheib, amtlicher Weinkontrolleur aus Berlin, nur zustimmen. „In den achtziger Jahren sind die Öko-Winzer mit überzogenen Öko-Ansprüchen angetreten“, Ambitionen auf geschmackliche Qualität schienen hingegen weniger ausgeprägt. Hier habe sich jedoch Entscheidendes geändert. Kürzlich hat Scheib an einer Verkostung von Ökoweinen teilgenommen und war erstaunt angesichts des hohen Niveaus der Produkte. Resümee des Weinfachmanns: „Die Öko-Winzer haben enorm dazugelernt.“ Ob Ökoweine denn gesünder, weil weniger von Rückständen aus Pflanzenschutzmitteln belastet seien als Rebensaft aus konventionellem Anbau? Nein, meint Scheib. Analysen hätten keine signifikanten Unterschiede ergeben. Dies sei auf eine verblüffende Besonderheit der Weinpflanze zurückzuführen, die wissenschaftlich noch nicht erklärt ist: Wein zieht, anders als andere Pflanzen, keine Schadstoffe aus dem Boden.
Dennoch hält Scheib den ökologischen Weinanbau für eine sehr vernünftige Sache. „Weinanbau ist zwangsläufig eine Monokultur. Man kann nicht alle paar Jahre die Weinstöcke rausreißen und etwas anderes anbauen. Um so wichtiger ist es, sich um den Erhalt der Bodenqualität zu kümmern.“
Woran erkennt man ökologisch angebauten Wein? Nur am Etikett. Allerdings existiert kein international angewandtes Öko-Siegel; in jedem Land gibt es – meist mehrere – Öko-Anbauverbände.
Das Angebot ist mittlerweile reichhaltig
Das Angebot an Ökoweinen ist mittlerweile reichhaltig – nahezu alle wichtigen Anbaugebiete und -länder, Rebsorten und Macharten sind vertreten. Spezialisierte Fachgeschäfte wie der „Rebgarten“ in Kreuzberg, Bergmannstraße Ecke Mehringdamm, präsentieren ein umfangreiches Sortiment. Die Inhaber, Elisabeth Dieringer und Dieter Borchers, beraten kompetent über die ökologischen, aber auch über die Geschmacksqualitäten ihrer Weine.
Bleibt noch zu bemerken: Öko- Anbau allein macht noch keinen Wein, der das Herz der Genießerin ohne weiteres höher schlagen ließe. Das Gute hat auch hier seinen Preis. Unter zehn Mark pro Flasche wird man kaum etwas Beglückendes finden – erfreuliche Ausnahmen bestätigen die Regel.
Auf dieser Seite: Die 1. Folge der Serie „Weinprobe“.
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