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Eine Messe wider das Nord-Süd-Gefälle

■ Mit der „Sanatura '97“ wurde vergangene Woche die erste Naturheilkundemesse Berlins veranstaltet. Das Angebot reichte von Aurafotos bis zu „karmafreien Energiebällchen“

„Kennen Sie Algen?“ fragt mich der freundliche Mann hinter dem Messestand und reicht mir ein kleines Faltblatt und ein Set mit „Spirulina platensis“-Proben. „Die spiralförmigen Spirulina-platensis- Algen sind eine der ungewöhnlichsten Nahrungspflanzen, die je entdeckt wurden. [...] Für die menschliche Ernährung liefern Sonnen- Farmen in Asien dieses grüne Gold für den Stoffwechsel“, entnehme ich dem Info. Nebenan bietet Ralph Eggers eine Einführung in die „hohe Schule der Menschenkenntnis- die Naturellehre, die in den Formen unseres Körpers, in Mimik und Gestik, Kopf und Gesicht, Augen, Nase, Mund und Ohren zum Ausdruck kommt.“

Alexander Plappert, der Organisator der „Sanatura '97“ verkündete stolz, daß die Messe die erste ihrer Art in Berlin sei, die ökologische Konsumprodukte und ökologische Medizin anbiete und vorstelle. Er wolle nicht nur Kranke ansprechen, sondern auch Gesunde, die gesund bleiben wollen. Daß es bis jetzt noch keine vergleichbare Veranstaltung in Berlin gegeben hat, führt Plappert auf das Verbot von Heilpraktikern im ehemaligen Ostteil der Stadt zurück. Hier entwickele sich ein naturheilkundliches Bewußtsein eher langsam. Plappert, selbst ausgebildeter Heilpraktiker und Betriebswissenschaftler, verzeichnet ein auffälliges Süd-Nord-Gefälle bezüglich des Interesses an alternativen Heilmethoden. „In München, Freiburg und Nürnberg gibt es bereits viel größere Messen, die stärker frequentiert werden. Das scheint mir ein generelles Mentalitätsproblem zu sein. Viele Aussteller kommen nicht aus Berlin, sondern aus Süddeutschland“, analysiert Plappert, der ebenfalls auf dem Gebiet der Medizintechnik geschult ist.

Tatsächlich war das Angebot der „Sanatura '97“ trotz der begrenzten Stellfläche des „Hauses am Köllnischen Park“ breit gefächert. Neben Möbeln, Getreidemühlen und ökologischen Handpuppen wurden Naturkosmetika und Wasserfiltergeräte ausgestellt und auf Wunsch ausführlich erklärt. Köstlich auch die garantiert karmafreien Energiebällchen und Hanobi-Fruchtschnitten von „Govinda's Naturkostprodukte“. („Da der Wert der Nahrung wesentlich von den an der Herstellung beteiligten Personen beeinflußt ist, trifft sich unser Team vor Arbeitsbeginn zu einer gemeinsamen inneren Sammlung, die eine bewußtere Zusammenarbeit ermöglicht.“)

Wer sich schon immer mal ein Bild von seiner ureigenen Aura machen wollte, hatte die Gelegenheit, eine Aurafotografie anfertigen zu lassen. Das Aurafoto vermittele ein Bild der momentanen Energiesituation und gebe die Möglichkeit, zu erkennen, wo die persönlichen Stärken liegen, wirbt Aura-Fotografin Ursula Noe. Auch sollen Hinweise darauf zu erkennen sein, wie sich die innere Balance aufrechterhalten lasse.

Ein weiterer Höhepunkt auf der „Sanatura '97“ war sicher das „keltische Baumorakel“. Zu den Klängen sphärischer Musik und dem außergewöhnlichen Duft der asiatischen Räucherstäbchen vom Nebenstand konnte der neugierige Besucher tief in seine Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft blicken. Das Baumhoroskop wird auf das enge Verhältnis der Kelten und der Druiden zur Natur, besonders zu den Bäumen, zurückgeführt, und soll helfen, „sich und die Umwelt zu verstehen“.

Flankiert wurde die Messe von Klezmer-Konzerten, einem Rundgespräch zum Thema „Neue Werte für das 21. Jahrhundert“ und Märchenstunden für Kinder und Erwachsene. Weitere Programmpunkte waren Vorträge über Magnetfeldtherapie, Pflanzenheilkunde, Tinnitus, „neue Formen des Zusammenlebens“, Neurodermitis und „Amalgam“.

Rund 2.800 Besucher kamen laut Plappert zur „Sanatura '97“: „Wir hatten mit mehr gerechnet, aber darauf kann man im nächsten Jahr aufbauen.“ Esther Kogelboom

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