: Postenschacher wie zu Zeiten der Ersten Republik
■ In Italien ist bei der Besetzung von Verwaltungsposten das Parteibuch ausschlaggebend. Damit knüpft die Mitte-links-Regierung an unselige Traditionen aus der Vergangenheit an
Rom (taz) – Noch vor zwei Jahren, als Silvio Berlusconi mit seiner Regierungsmannschaft hurtig einige der Chefposten der öffentlichen Verwaltung und der Staatsbetriebe besetzte, konnten die Linksdemokraten nicht genug protestieren: „Skandalös“ sei es, schimpfte PDS-Chef Massimo D'Alema, wenn die Berlusconianer „sich Stück für Stück den staatlichen Apparat unter den Nagel reißen“, sein Vize Walter Veltroni sah „die Demokratie in Gefahr, wenn die politische Führung auch die des Beamtentums übernehmen will“. Die Grünen und die Neokommunisten entdeckten gar „faschistische Züge“ im Ernennungsprogramm der Rechts-Koalition.
Inzwischen regiert die Linke, und sie steht der Rechten in nichts nach. Berlusconi hatte in den sieben Monaten seiner Amtszeit 400 Staatsstellen mit Leuten seiner Wahl besetzt. Die Linke ist in den 18 Monaten ihres Wirkens bereits auf das Fünffache davon gekommen. Gut zwei Drittel der Ernennungen betreffen dabei Stellen, deren bisherige Inhaber durchaus keine schlechte Figur gemacht hatten – nur besitzen sie jetzt das falsche Parteibuch.
Von den obersten Finanzbehörden über die Leitungsposten der Alitalia, diverse Versicherungsgesellschaften und die Eisenbahn bis zum Datenbeauftragten reicht der Bogen jener Funktionäre, die ihre Ernennung ihrer Hörigkeit den regierenden Parteien gegenüber verdanken. Selbst die Grünen haben abgestaubt: Die staatlichen Energieunternehmen werden nun von einem Präsidenten aus ihrer Partei geleitet – obwohl der bisher nur Erfahrungen als kleiner Manager von Milchunternehmen der Stadt Rom vorweisen kann.
Noch vor einem Jahr hatte das alles ganz anders ausgesehen. Streng darauf bedacht, den Pluralismus des Staatsapparates deutlich zu machen, hatten etwa die für die Ernennung des fünfköpfigen Rundfunkrates zuständigen Präsidenten von Senat und Abgeordnetenhaus zwei dem rechten Spektrum angehörende Mitglieder ernannt. Auch in der Energiebehörde wurde dem Grünen ein Manager aus dem Imperium von Oppositionsführer Silvio Berlusconi als Generalmanager beigesellt. Inzwischen ist der „Run auf die Ämter“ zum „Volkssport der Regierungsparteien“ geworden, vermerkt die Zeitschrift Panorama.
Daß die Ernennung höchstrangiger Administratoren eine Vertrauensfrage für die zuständigen Minister ist, steht dabei außer Frage und wird auch in anderen Ländern so gehandhabt. Doch in Italien zeigt sich nun sofort wieder eine Tendenz, die vor allem auf eines hinausläuft: Auf die sogenannte „Lottizzaztion“, eine Art Proporz, eine Aufteilung nach Parteien ohne Rücksicht auf Qualifikation.
Nicht nur, daß die acht im Olivenbaumbündnis zusammengeschlossenen Gruppen streng darauf achten, zum Zuge zu kommen: auch in den einzelnen Parteien feilschen die verschiedenen Strömungen um Pöstchen. Längst vergessen die Wahlverheißungen von Regierungschef Romano Prodi, der im „Aufbau einer von allen Parteiüberlegungen abgekoppelten effizienten Administration“ eines seiner wichtigsten Ziele gesehen hatte, um den Verwaltungsapparat europatauglich zu machen.
Statt dessen spielt sich ein erbitterter Kampf zwischen PDS-Chef D'Alema und seinem Vize Walter Veltroni um die Besetzungen ab. Beide müssen sich dabei mit Prodi auseinandersetzen. Bei den Grünen kämpfen die „echten“ Umweltschützer der ersten Stunde mit dem Staatssekretär Gianni Mattioli gegen die „ideologischen“ Grünen um Ex-Lotta-Continua- Mann Luigi Manconi.
Der Publizist Giampaolo Pansa fürchtet denn bereits auch wieder die „Rückkehr in die Erste Republik“, wie zu den schlimmsten Zeiten der Christdemokraten und der Sozialisten. „Das Modell der römischen Gesundheitsämter“, so der Politologe Luigi Coletti, „steht wieder vor der Tür“. Dieses Modell war seinerzeit berühmt geworden, weil unter den zwanzig Leitern der Behörde nicht ein einziger Arzt war – dafür tummelten sich drei Rechtsanwälte, vier Steuerberater, ein halbes Dutzend Handwerker und Lehrer unter den Chefs. Am Ende leitete auch noch ein ehemaliger Friseurgehilfe eines der Ämter. Werner Raith
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