piwik no script img

■ Schöner lebenKönig Kunde

Nach dem Feierabend ist ein schönes, kühles Bier auch in der kalten Jahreszeit eine ganz heiße Sache. Also raus aus der Redaktionsstube und ab in die nächste Kneipe – wie neulich. Die Musik ist gut, der Kellner läßt sein Tablett gekonnt auf dem Zeigefinger rotieren und nimmt auch gaaanz cool die Bestellung entgegen.

Was dann kommt, knallt zwar am dollsten, hat aber mit Holsten nicht viel zu tun. Die Plörre ist völlig schaumgebremst, der erste Schluck jenseits von Gut und Böse. Die vermeintliche Gerstenkaltschale zum Feierabend ist eindeutig schal. Der Kollege hat es gut. Vorgewarnt schnuppert er nur an seinem Bier und stellt das Glas angewidert weg.

Was jener so einfach mit seinem Riecher schafft, fällt dem Kellner schon wesentlich schwerer. Er findet das Bier in Ordnung. Erst einem Zweit-Zapfer fällt auf, daß zumindest recht wenig Kohlensäure in der braunen Brühe ist. „Ich überprüfe mal den Sauerstoff“, ist wenigstens eine Reaktion. Kellner eins versteht immer noch nicht, was wir wollen. Einfach nur ein frisches Bier!

Unterdessen bastelt Kellner zwei am Zapfhahn und sagt etwas zu laut: „Ich glaube, das ist der Hahn, den ich vor zwei Tagen abgeklemmt habe. Das Bier muß der alte Rest aus der Leitung gewesen sein.“Zwar nicht für unsere Ohren bestimmt, kann einem dabei aber trotzdem schlecht werden. Immerhin: Der frische Hahn zaubert ein frisches Bier auf unseren Tisch und ein leichtes Feierabendlachen auf unsere Gesichter.

„Auf's Haus“, prosten wir in Richtung Kellner eins. Ein harmloser Trinkspruch. Doch statt den Gast nach schaler Plörre tatsächlich auf Kosten des Hauses zum Erstbier einzuladen, geht Kellner eins plötzlich in die Luft. Ob wir uns Freibier erschleichen wollten, werden wir beschimpft. Erst nach ewiger Diskussion bis hin zum Geschäftsführer, rückt der als Wiedergutmachung für Bier und Schimpfkanonade einen Schnaps raus. Nur eins hat er zu dem Zeitpunkt genauso wenig kapiert, wie Kellner eins: Bier ist frisch und der Kunde König. Das gilt auch für australische Kneipen in Bremens Innenstadt. Jens Tittmann

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen