: Kunstbetrieb im Bierkeller
■ Schultheiss-Brauerei am Kreuzberg verkauft. Investor will für 300 Millionen Mark Kultur- und Wohnpark errichten. Angebot an die Berlinische Galerie. Bezirk unterstützt die Umbaupläne
Wo einst der Alkohol in Strömen floß, sollen nun Kunst und teure Wohnungen berauschen. Der Investor „Realprojekt Bau- und Boden-AG“ möchte die frühere Schultheiss-Brauerei am Kreuzberg zu „Kultur- und Wohnpark“ umbauen. Während in die Gewölbekeller Ausstellungsräume und Kunstdepots einziehen sollen, ist geplant, die denkmalgeschützten Brauereigebäude aus dem Jahre 1868 für Lofts zum Wohnen und Arbeiten herzurichten. Die Realprojekt Bau- und Boden-AG will in das 50.000 Quadratmeter große Areal 300 Millionen Mark für Um- und Neubauten stecken. Die seit zwei Jahren stillgelegte Brauerei war am vergangenen Donnerstag an den Investor für eine „zweistellige Millionensumme“ verkauft worden.
Das Brauereigelände am Kreuzberg, sagte gestern Realprojekt-Sprecher Willo Göpel, biete „hervorragende Möglichkeiten für kulturelle Nutzungen“. Deshalb sei ein Großteil der rund 10.000 Quadratmeter großen historischen Gewölbekeller dem Senat für die Berlinische Galerie angeboten worden. Mit der Galerie könne „museumsnahes Gewerbe“ wie Restauratoren, Rahmenbauer oder Kunsthändler an den Standort kommen. Außerdem, so Göpel, biete sich die Chance, die Berlinische Galerie, die aus dem Martin-Gropius-Bau in das Postfuhramt in Mitte umziehen soll, „in Kreuzberg zu halten“. Die Galerie nutzt das Areal schon jetzt als Depot und für Büros.
Auf den durch den Abriß der Lagerhallen gewonnen Flächen werden Neubauten für Wohnen und Arbeiten errichtet, sagte Göpel. In den kommenden Wochen, so der Sprecher, werde mit dem Bezirk ein spezielles Nutzungskonzept für die denkmalgeschützen Brauereigebäude erarbeitet. Baubeginn ist 1998 vorgesehen.
Für die Berlinische Galerie ist nicht klar, ob sie das Angebot der Realprojekt annehmen wird. Die derzeitige Nutzung sei eine „Interimslösung“, sagte Jörg Fidorra von der Galerie. „Wir sind dort hingezogen, weil der Martin-Gropius-Bau renoviert wird. Was später wird, ist offen.“ Priorität habe für die Galerie immer noch das Postfuhramt.
Während von der dafür zuständigen Kulturverwaltung gestern keine Stellungnahme zu erhalten war, stoßen die Wohn- und Kulturparkpläne beim Bezirk Kreuzberg auf Zustimmung. Die Nutzung des Areals, wie sie die Realprojekt anvisiere, „entspricht den Interessen Kreuzbergs“, sagte Wulf-Jürgen Peter, stellvertretender CDU-Bürgermeister. Die Pläne brächten „wieder Leben“ an den verlassenen Standort, und das Denkmal würde nicht beeinträchtigt, so Peter. Rolf Lautenschläger
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