: Streit um die Morde der Eta-Linksnationalisten
■ Die baskische Wahlkoalition Herri Batasuna diskutiert ihr Verhältnis zur Gewalt
Madrid (taz) – Der baskischen Eta fällt es immer schwerer, ihre Anhänger auf Linie zu halten. Nach dem Mord an José Luis Caso, Gemeinderat im baskischen Renteria für die in Madrid regierende Volkspartei (PP), werden die kritischen Stimmen am bewaffneten Kampf selbst innerhalb der Eta- nahen Wahlkoalition Herri Batasuna (HB) immer lauter.
Der Unmut über den Anschlag überschattete deren Lokalversammlungen am vergangenen Wochenende, auf denen Kandidaten zum neuen Parteivorstand gesucht werden sollten. Dieser Wahlprozeß, der sich bis Ende Januar hinziehen wird, war notwendig geworden, nachdem die 23 Mitglieder der bisherigen Führung Anfang des Monats wegen „Unterstützung einer terroristischen Vereinigung“ zu sieben Jahren Haft verurteilt und verhaftet worden waren.
Für die Eta-Kritiker bei HB hat der Anschlag auf Caso dem linksnationalistischen Lager mehr geschadet als genützt. Als Reaktion auf das Attentat war eine für den 13. Dezember angesetzte breite Solidaritätsdemonstration mit den inhaftierten HBlern abgesagt worden – statt dessen waren erneut Tausende gegen die Gewalt der Eta auf die Straße gegangen.
„Was hat sich Eta dabei gedacht?“ fragten immer wieder aufgebrachte RednerInnen auf den HB-Versammlungen vom Wochenende. Die am Donnerstag letzter Woche in der baskischen Tageszeitung Egin verbreitete Erklärung wollte ihnen als Antwort nicht genügen. „Alle politischen Vertreter der Volkspartei sind bis über beide Ohren in den Krieg verwickelt, mit dem das Baskenland als Nation zerstört werden soll“, hatte die Eta ihre Entscheidung gerechtfertigt, auch gewählte Lokalpolitiker ins Visier zu nehmen. Und anstatt wegen der nach dem Attentat gescheiterten Bündnisdemonstration Selbstkritik zu üben, wirft Eta den Gewerkschaften „mangelnde politische Reife“ vor.
Die Hälfte der Redner auf den HB-Basisversammlungen kritisierten Eta und forderten mehr Unabhängigkeit der Partei gegenüber der bewaffneten Organisation. Auf den Vorschlagslisten für den neuen Vorstand finden sich Namen wie der LAB-Vorsitzende Rafa Diez, einer der Väter der geplatzten Aktionseinheit, und die beiden 1995 aus dem HB-Vorstand ausgeschlossenen Anwälte Patxi Zabaleta und Iñigo Iruin. Alle drei haben immer wieder die Eta-Anschläge auf Lokalpolitiker der konservativen Volkspartei verurteilt.
Patxi Zabaleta führte bei der HB-Generaldebatte um die Parteilinie vor knapp drei Jahren diejenigen an, die von der damals verabschiedeten Doktrin, nach der „das baskische Volk zur Verteidigung seiner Rechte alle ihm zur Verfügung stehenden Kampfformen einsetzen darf“, nichts wissen wollten.
Unter dem Schlagwort „Sozialisierung des Leidens“ verüben seither Anhänger der radikalen HB-nahen Jugendorganisation Jarrai unermüdlich Sabotageakte. Dabei werden auch die politischen Gegner nicht ausgespart. Brandanschläge gegen Privatwohnungen von Abgeordneten der spanienweit agierenden Parteien wie der sozialistischen PSOE und der PP gehören ebenso dazu wie ausgebrannte Parteilokale der im Baskenland regierenden konservativ- nationalistischen PNV und ihrer Abspaltung EA.
Selbst Teile des jetzt inhaftierten alten Herri-Batasuna-Vorstands ein, daß diese „Politik der Destabilisierung“ gescheitert ist. Herri Batasuna habe damit Unterstützung in Teilen der Bevölkerung verloren, erklärte einer der 23 Verurteilten, Rufi Etxebarria, kurz vor seiner Verhaftung.
Eta und die ihr treu Ergebenen interessiert die Debatte bei HB nicht. Am frühen Sonntag morgen explodierte eine Bombe vor dem Provinzverwaltung der Verkehrspolizei im Stadtzentrum von San Sebastian. Dank eines Warnanrufs eine halbe Stunde zuvor kam es nur zu Sachschaden. Wenig später wurden in der gleichen Stadt drei Bankfilialen in Brand gesteckt. Reiner Wandler
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