■ Cash & Crash: Südkoreanischer Schrott
Berlin (taz) – Internationale Geldgeber scheinen Süd-Korea aufgegeben zu haben. Die beiden großen Kreditbewertungsagenturen Moody's und Standard & Poors verwetten auf einmal keinen Cent mehr darauf, daß die Besitzer südkoreanischer Schuldverschreibungen noch jemals bares Geld dafür erhalten.
Kurz hintereinander stuften sie die Staatsanleihen des Krisenlandes auf den Rang von sogenannten Schrottanleihen (junk bonds) zurück. Die Agenturen halten die südkoreanischen Staatsschulden nun für noch riskanter als die von Staaten wie El Salvador oder Kroatien. Auch Indonesien, Thailand und Malaysia werden nun als hochriskante Gläubiger geführt.
Die beiden Bewertungsagenturen wissen sich damit pikanterweise einig mit dem künftigen Präsidenten Süd-Koreas, Kim Dae Jung. Der hatte in einem Zeitungsinterview geäußert, er wisse nicht mehr, ob das Land morgen oder erst übermorgen bankrott gehe. Hastig erklärte seine Partei zwar gestern, daß das alles nicht so gemeint gewesen war. Nichtsdestotrotz brach bei vielen Anlegern und Banken der Angstschweiß aus, als das Wort Zahlungsunfähigkeit die Runde machte.
Die südkoreanische Währung fiel gestern prompt auf ein Rekordtief: 2.000 Won mußten gestern für einen US-Dollar hingelegt werden, wo am Montag noch 1.750 gereicht hatten. Innerhalb der letzten zwei Monate hat der Won damit fast 60 Prozent seines Werts eingebüßt. Nicht nur die Währungen Malaysias, Indonesiens und Thailands wurden mit hinabgerissen, auch der japanische Yen kam ins Rutschen.
Wenn Anleihen als riskanter eingestuft werden, steigt automatisch ihre Verzinsung. Denn die Schuldner müssen dann ihren Geldgebern gewissermaßen einen Aufschlag dafür zahlen, daß überhaupt noch jemand ihre Schuldpapiere kauft. Wegen der hohen gebotenen Zinsen sind daher viele Anleger von – ebenfalls höchst spekulativen – südkoreanischen Aktien auf Anleihen umgestiegen. Folge: die Aktienkurse in Seoul stürzten gestern um 7,4 Prozent.
Die Analysten von Moody's und Standard & Poors dürften mit ihrer Entscheidung zu einer kräftigen Verschärfung der Asienkrise beitragen. Denn die betroffenen Länder haben es nun viel schwerer, dringend benötigtes Kapital auf den internationalen Kapitalmärkten zu bekommen. Dies macht den Regierungen, die allesamt hofften, ihre IWF-Beistandskredite durch die Ausgabe von Staatsanleihen zu refinanzieren, einen dicken Strich durch die Rechnung.
Die derzeit verfügbaren Devisenreserven Süd-Koreas belaufen sich auf nur 10 Milliarden Dollar, während die Verbindlichkeiten bis Jahresende 15 Milliarden Dollar betragen. De facto abgeschnitten vom internationalen Kapitalmarkt, ist Süd-Korea jetzt vollkommen abhängig vom IWF und dem rechtzeitigen Eintreffen von dessen Notkrediten.
Schon wurde Kritik an den beiden Agenturen laut. So mancher Investmentbanker hält die Bewertung für eine komplette Überreaktion, die der Tatsache geschuldet sei, daß die Agenturen so lange mit einer längst überfälligen Neubewertung der Kreditrisiken in der Region gewartet hätten. Der eigenen Glaubwürdigkeit hätte die Entscheidung der Kreditbewerter damit nicht genützt. lieb
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