: Büromieter springen aus dem Fenster
■ Mit der Aktion „Pflastermann“ wollen die Königstadt-Terrassen der Konkurrenz die Mieter im Kampf um Büroflächen abspenstig machen
Der Kampf um Büroraummieter treibt in der Hauptstadt der leerstehenden Gewerbeimmobilien immer makaberere Blüten. Nach den Kunstaktionen am Potsdamer Platz oder dem lustigen Luftballonstart in Hellerdorf haben sich die Investoren des Büroklotzes „Königstadt-Terrassen“ in der Schönhauser Allee ein totsicheres Konzept überlegt, die Räume vollzukriegen: Vor den Palästen der Konkurrenz – in der Friedrichstraße Quartier 206, am Alexanderplatz, dem Europacenter, am Checkpoint Charlie oder an der Info-Box – wirbt im Auftrag der Königstädter die TBWA-Werbeagentur mit den Umrissen einer von hoch oben auf den Gehweg geknallten Leiche.
Damit die Sache auch recht aufregend daherkommt, haben die TBWA-Zeichner ihre „Pflastermänner“ wie aus dem Kriminalfilm plaziert: das Gesicht nach unten, mit gestrecktem und angewinkeltem Bein sowie die Hand nach oben gestreckt. Ein klarer Fall von Verzweiflungs-Suizid hätte Ex- Hauptkommissar Stefan Derrick kombiniert. Und wie immer wäre er richtig gelegen. Denn der Pflastermann liefert die Indizien gleich mit. „Er sprang wegen zu hoher Büromieten. 030-44.33.150“, beweist ein beigelegtes Schild auf dem Gehweg, das die Immobilienpreise anklagt. Alles klar, Harry kann den Wagen holen.
Natürlich hätte auch Derrick- Assistent Harry den Fall locker abschließen können, denn das Motiv der Todesspringer(-Kunstaktion) ist zu durchsichtig. „Sie wissen ja“, erklärt TBWA-Werbefrau Katharina Baier in einem ,Bekennerschreiben‘, „die Königstadt-Terrassen bieten Büroflächen in bester Lage, 135 Meter neben Mitte“. Bei dem Standort könne nicht jede Immobilie mithalten. „Und schon manche Mieter raufen sich die Haare oder machen Schlimmeres, wenn sie über die viel zu hohen Mieten nachdenken.“ Daß die Pflastermänner unlauterer Wettbewerb bedeuten, ficht Baier nicht an. Im Gegenteil. In den Königstadt-Terrassen könne man „zu äußerst freundlichen Preisen“ anmieten. Wer das nicht tue, ist selber schuld, dem bleibe nur der Selbstmord.
Doch Vorsicht ist geboten. Wer sich im Büroklotz in der Schönhauser Allee Nummer 10 bis 11 Büroräume besorgt, kommt vielleicht billiger weg als am Potsdamer Platz, in der Friedrichstraße oder in der City-West. Doch aufs Gemüt könnte ihm die Architektur der „Terrassen“ schlagen, die ein wenig an das Stasi-Hauptquartier in der Normannenstraße erinnert. Nicht auszudenken, daß dort ein echter Derrick Umrisse von Selbstmördern, die aus dem Fenster hüpfen, aufs Pflaster malen müßte. Rolf Lautenschläger
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen