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Tödliche Schüsse im Gefängnis

Nach der Ermordung eines loyalistischen Häftlings in Nordirland durch die IRA-Abspaltung INLA drohen blutige Racheakte der bewaffneten Protestanten  ■ Aus Dublin Ralf Sotscheck

Nach dem Mord an Billy Wright, dem berüchtigten loyalistischen Killer, steht der Waffenstillstand in Nordirland auf des Messers Schneide. Am Samstag wurde der 37jährige Wright im nordirischen Hochsicherheitsgefängnis Long Kesh von Mitgefangenen der Irischen Nationalen Befreiungsarmee (INLA) erschossen. Am Abend kam es offenbar zu einer ersten Racheaktion, als Bewaffnete das Feuer auf eine Weihnachtsfeier im Glengannon Hotel bei Dungannon eröffneten. Ein Mann wurde getötet, drei andere schwer verletzt. Zu dem Attentat bekannte sich die Loyalist Volunteer Force (LVF), die Wright ins Leben gerufen hatte. Sowohl die IRA-Partei Sinn Féin als auch Sprecher anderer loyalistischer Paramilitärs riefen zur Einhaltung des Waffenstillstands auf.

Die INLA, die keine Waffenruhe eingegangen war, erklärte, die Erschießung Wrights sei „eine Antwort auf seine zahlreichen Morde an Nationalisten und Katholiken“. Drei INLA-Männer waren aus ihren Zellen auf das Dach des H-förmigen Blocks geklettert und in den Hof gesprungen, wo Wright auf dem Weg zu einer Visite war. Er wurde vor den Augen der Wärter von fünf Schüssen in den Rücken getroffen. Die INLA- Leute stellten sich danach und übergaben die Tatwaffen.

Wie die beiden Pistolen in das angeblich sicherste Gefängnis Europas gelangen konnten, soll nun untersucht werden. In „The Maze“, wie Long Kesh offiziell heißt, sind rund 700 Gefangene der verschiedenen paramilitärischen Organisationen untergebracht. Sie sind in den sieben Gebäuden nach Organisationszugehörigkeit getrennt. Innerhalb der Blöcke bestimmen sie ihren Alltag weitgehend selbst. Dazu gehören Unterrichtsklassen und Sportstunden. Die Wärter müssen mit den „befehlshabenden Offizieren“ der Gefangenen verhandeln, wenn sie Zellendurchsuchungen vornehmen wollen.

Zwar nicht offiziell, doch aber de facto sind die Häftlinge als politische Gefangene anerkannt. Die damalige britische Premierministerin Margaret Thatcher hatte ihnen offiziell jeden Sonderstatus verweigert, erfüllte aber nach einem Hungerstreik 1981 unter der Hand die meisten Forderungen der Gefangenen.

Die loyalistische LVF Billy Wrights lehnt ebenso wie die katholische INLA eine Waffenruhe ab. Im Sommer hatte Wright durchgesetzt, daß er und seine 30 LVF-Mitgefangenen von den übrigen Loyalisten getrennt wurden. Die Gefängnisleitung wies ihnen eine Hälfte des H-Blocks 6 zu. In der anderen Hälfte war die INLA untergebracht.

Ken Maginnis, sicherheitspolitischer Sprecher der Ulster Unionist Party, forderte gestern den Rücktritt der Nordirlandministerin Mo Mowlam, des Polizeichefs Ronnie Flanagan und des Direktors der Gefängnisaufsicht. Ian Paisley, der Sohn des gleichnamigen Protestanten-Pfarrers und Politikers, vermutete gar eine Zusammenarbeit zwischen Sicherheitskräften und INLA. Die LVF hat angekündigt, in „den kommenden Wochen und Monaten das Spektrum der Operationen“ zu erweitern, doch Experten glauben, daß der Organisation dafür die Leitfigur fehlt. Wright hatte seinen Leuten im Gefängnis per schriftlichem Dekret sogar das Fluchen abgewöhnt.

Portrait Seite 9

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