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„Wer soll am Molkenmarkt wohnen?“

■ Der Masterplan ist der Anfang vom politischen Ende Staatssekretär Stimmanns. Je lauter die Kritik, desto verbissener hält er am Entwurf fest

Es sollte sein ganz großer Auftritt werden. Mit Pomp und Getöse wollte Hans Stimmann, Staatssekretär für Stadtentwicklung und vormaliger Senatsbaudirektor, am 29. November 1996 auf dem Stadtforum das neue Bild Berlins präsentieren. Doch die Rechnung ging nicht auf. Schon zuvor war der – bis dato streng geheimgehaltene – Masterplan in der taz veröffentlicht und von verschiedenen Autoren kritisiert worden. Stimmanns Auftritt auf dem Stadtforum geriet zur Flucht nach vorne. Nicht nur der Plan selbst stand von nun an im Mittelpunkt der Kritik, sondern auch die Art und Weise seines Zustandekommens. Und die ist eng mit der Person Hans Stimmann verknüpft.

Für Überraschungen war Stimmann schon während seiner Amtszeit als Senatsbaudirektor zu haben. Kaum hatte der damalige Bausenator Wolfgang Nagel den gebürtigen Lübecker 1991 nach Berlin geholt, ließ Stimmann 1992 ein Gutachten erstellen, das als Leitbild der „Kritischen Rekonstruktion“ in die Nachwendegeschichte der Großstadt eingehen sollte. Ganz dem Bild der europäischen Stadt verbunden, setzte Stimmann auf Traufhöhe, Blockrandbebauung und steinerne Fassaden und provozierte damit den vielzitierten Berliner Architekturstreit. Doch weder der Vorwurf einer „faschistoiden“ Architektur oder einer Wettbewerbsmafia noch der Umstand, daß vor lauter städtebaulichen Bildern die Nutzung der Baubouletten in den Hintergrund geriet, konnte der Machtposition Stimmanns etwas anhaben. Obwohl ihm baurechtlich kaum Befugnisse zustanden, verstand es der Ex-Juso hinter den Kulissen die Strippen zu ziehen und die Architekten der Stadt allein mit der Drohung eines künftigen Liebesentzugs an sich zu binden.

Anfang 1996 schien es mit der Macht des Hans Stimmann freilich ein Ende zu haben. Völlig überraschend gab die SPD in den Koalitionsverhandlungen das Amt des Bausenators – und damit auch das des Senatsbaudirektors – preis und schickte den Partei„Linken“ Peter Strieder als Stadtentwicklungssenator ins Rennen. Zwar holte Strieder Stimmann als Staatssekretär in seine Verwaltung und machte ihn damit zum obersten Stadtplaner Berlins. Doch die großen städtebaulichen Wettbewerbe waren zu diesem Zeitpunkt bereits entschieden. Wollte Stimmann nicht in der Versenkung verschwinden, mußte er zum ganz großen Wurf ausholen. Doch der Masterplan stellte im Nachhinein den Anfang vom politischen Ende des Hans Stimmann dar. Je lauter die Kritik an diesem gigantischen Unterfangen einer zweiten Urbanisierung der gesamten Innenstadt wurde, desto verbissener hielt Stimmann an deren Prämissen fest. Wie sehr diese freilich oftmals bloßem Wunschdenken entsprangen, zeigte sich zuletzt bei der Debatte um den „Urbaniten“. Jener „Stadtbürger mit Handy und Laptop“, dem Stimmann die Mitte Berlins herrichten möchte, macht um Berlin nämlich einen weiten Bogen. Stattdessen kommen, wie Statistiker und Soziologen gleichermaßen betonen, zumeist mittellose Migranten aus Mittel- und Osteuropa in die Stadt. Wie verzweifelt der ehemalige Senatsbaudirektor darüber sein muß, wie sehr er die Wirklichkeit bereits zugunsten eines Bildes der Realität verdrängt hatte, demonstrierte er beim jüngsten Stadtforum. Auf den Hinweis wachsender Armut, sozialer Spaltung und der zu erwartenden Migrationsströme, fragte Stimmann: „Aber wer soll denn dann da wohnen, am Molkenmarkt?“ Uwe Rada

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