Eine Prophezeiung für 1998 Von Carola Rönneburg

Was im nächsten Jahr geschieht, ist weitgehend unsicher. Wird Gerhard „dann eben“ Schröder der SPD-Spitzenkandidat, wie jüngst vom Arbeitergeberpräsidenten Dieter Hundt befohlen? Bleibt Helmut Kohl trotzdem Bundeskanzler, bis er den Tisch für Wolfgang Schäuble räumt? Was wird Mutter Nolte noch alles daheim aushecken, in eine ihrer ausrangierten Rüschenblusen gewandet: Die dreimonatige Schwangerschaftsberatung durch polnische Nonnen, nicht unter zehn Stunden täglich?

Und was passiert, wenn sich herausstellt, daß Guido Westerwelle sein Büro im Rahmen einer kostengünstigen PR-Aktion selbst demolierte und die Spurensicherung am Tatort gar keine Buttersäure, sondern Westerwelles Pomade fand? Man weiß es nicht.

In der Politik ist also alles offen. Für die Kultur hingegen kann ich schon jetzt den Sommerhit des Jahres 1998 voraussagen, denn ich habe seinen Interpreten während der Weihnachtsfeiertage kennenlernen dürfen.

Der neue MTV-Star heißt „Peter“, und sein außerordentliches Talent wurde eben während jener Weihnachtsfeiertage entdeckt. Peter – blond, stattlich und dezent bebrillt – war Gast auf einer Party in Hamburg, wo praktisch alle außer ihm Musikproduzenten waren. Brasilianische Klänge erfüllten die Eigentumswohnung, und zu sehr früher Stunde nahm Peter hier in der Küche auf wenig sanften Druck einer heilpraktizierenden Musikproduzentenlebensgefährtin ein rohes Eigelb zu sich: Katerprophylaxe. Weil er danach um so dringender weitertrinken wollte, griff er nach der nächstbesten Flasche, erwischte ein teures Speiseöl und bemerkte seinen Irrtum erst nach einigen Schlucken.

Damit war der Hit schon so gut wie auf Platz eins, denn unser junger Freund erkannte seine Chance. Unablässig mit dem Unterleib kreisend und seinen Bauch streichelnd, ganz so, als wollte er mit allen Mitteln einen Hula-Hoop-Ring auf Hüfthöhe halten, schaukelte Peter vom Designergewürzbord zur Spülmaschine und zurück. Auf diese Weise, erklärte er, stelle er Mayonnaise her. Zwischendurch mußte er aufstoßen, hielt sich jedoch jedesmal wohlerzogen die Hand vor den Mund.

Die Heilpraktikerin war fassungslos, aber eine gute Musikproduzentenehefrau. Sie löste ihren Mann von einer anderen weiblichen Person ab und machte ihn auf den Mayonnaisemann aufmerksam. Es kam, wie es kommen mußte: Musik und Tanz und Mayonnaise vor Augen, entwarf der Produzent sofort einen Vertrag; per Handy wurden drei sportliche Backgroundsängerinnen („Die Fritteusen“) in die Küche beordert.

Wenn Sie nun demnächst einen Videoclip sehen, dessen Musik ein ganz klein wenig an „Macarena“ erinnert und dessen Protagonisten sich in den Hüften wiegen und ab und an den rechten Handrücken vor ihr Gesicht halten, dann erleben sie wahrscheinlich gerade den Durchbruch von „Mayonnaise“, dargeboten von „Peter und den Fritteusen“.

Ich prophezeie ferner, daß Bravo sich im Herbst 1998 mit enttäuschten Fans wird herumschlagen müssen: Dann wollen nämlich irgendwelche Lebensmittelchemiker herausgefunden haben, daß die Säure des menschlichen Magens eine Eigenmayonnaiseproduktion gar nicht zuläßt. Bis dahin wird Peter aber für die Party entschädigt worden sein.

Und falls Sie sich zu Beginn dieses Textes gewundert haben, warum ich keine Fragen nach der Zukunft der Grünen habe, hier ein Nachschlag: Die Überlegung paßt besser an diese Stelle, weil sie ebenfalls mit Nahrungsmitteln zu tun hat. Denn was werden Grünen-Vertreter beim Truppenbesuch im Ausland mit den Soldaten essen? Grüne Erbsensuppe geht nicht mehr – so perfide ist Kohl! – und Dinkelcreme mutet zu exotisch an.

Aber muß es wirklich ein Bauernfrühstück sein? Und wer wird sich das ausgedacht haben?