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Die erfolgreichste Inszenierung von Frauen im HipHop hält sich konsequent an ein Soft-Porn-Drehbuch: Lil' Kim und Foxy Brown, wie sie sich im Negligé rappend über Bärenfelle räkeln. Doch wenn sie fett werden, fliegen sie raus. Und das wissen die beiden! ■ Von Annette Weber
Das Millennium will smooth genommen werden. Mit Stil, mit Haus, mit Auto und Familie – erkauft und nicht erkämpft. Für 1997 galt für Frauen im Rap nicht mehr „Ladies First“, wie das programmatisch 1989 von Queen Latifah und Monie Love vertreten worden war. Im letzten Jahr ist daraus Lil' Kims „Ladies Night“ geworden: ein hedonistisches „Wir wollen Spaß“-Treffen, bei dem namhafte Rapperinnen und R&B-Sängerinnen wie Left Eye (Lopez) von TLC, Missy Elliott (der Rap-Star 1997) und da Brat (die Roughneck-Fraktion) zusammenkommen. Es geht nicht mehr um die politische Machtfrage, mehr um die Inszenierung eines kicherigen Freundinnentreffens, bei dem über Schwanzlängen und Jahresendabrechnungen gelacht wird.
Schon lange gab es nicht mehr so viele Erfolgsmodelle, so viele wichtige und interessante Female- Rap- und R&B-Künstlerinnen wie 1997. Da gibt es das Allroundtalent Missy Elliott, den „Supa dupa fly“- Star, die Frau, die das Jahr wirklich gerockt hat; mit ihren Textproduktionen (für Aaliyah, Lil' Kim, Mariah Carey, SWV), ihren MC Skills und ihrem eigenen Debüt war sie zwar spät, aber durchschlagend erfolgreich. Dann die Soul- und R&B-Fraktion: Janet Jackson, Erykah Badu, Mary J. Blige, die mit ganz neuen Tönen Fun brachten und bei den Sendern in die heavy rotation kamen. Und, natürlich, die minimalistischere Riege von Old-School-Rapperinnen: MC Lyte, da Brat, Sister Rage und Queen Latifah waren in ihren Girl- Next-Door-Outfits und dem Mikro in der Hand präsent. Salt 'n' Pepa näherten sich optisch immer mehr neueren Swingbeat-Modellen wie SWV an, was zu ihrer Mischung aus christlichem Hardcore- Gospel und feministischen Manifesten ganz gut paßte.
Als Gewinnerinnenmodell hat sich allerdings das „Fuck me, fuck me“ rufende Doppel Lil' Kim und Foxy Brown herauskristallisiert. Kaum eine Musik- oder Popzeitschrift im deutschen oder englischsprachigen Raum, die nicht ein Cover oder zumindest viele bunte Bilderseiten mit Lil' Kim und ihrer Negligékollektion brachten. Und kaum eine, die nicht in essentialistischem Gewäsch was von Verschwesterung, „weiblicher Zukunft des Rap“ oder postfeministischen Selbstentwürfen gebrabbelt hätte.
Die erfolgreichste Inszenierung von Frauen im Rap hält sich stringent an eine Soft-Porn-Oberfläche: Soll alles ganz natürlich aussehen, wenn sich Foxy Brown oder Lil' Kim über Bärenfelle räkeln. Bloß nicht als Inszenierung des sich immer wieder neu herstellen müssenden Körpers begriffen werden. Und: Bei aller Anmache trotzdem nicht so offensiv, fordernd auftreten wie viele der sexuell expliziten jamaikanischen Dancehall-Queens. Es geht mehr um Sehnsuchts-Fleischwerdungen mit Hintern, wie man sie zuvor in den Rap-Videos der Westküste und den „Booty Contests“ des Miami-Bass-Wahns shaken sah (und sieht), Haltungen, die nie eine Bedrohung, höchstens eine Bereicherung des Egotrippings der Männer mit und ohne Mike darstellen. Es geht letztlich um saisonbedingte Anforderungen: Wenn Lil' Kim oder Foxy Brown fett werden, fliegen sie raus. Und das wissen sie.
Natürlich kann man – immer nach vorne diskutieren! Und bloß keine Victimisierung! – von Lil' Kim bis Missy Elliott einen Zugewinn „selbstbestimmter“ Persönlichkeitsentwürfe preisen. Aber nicht die Erscheinungsformen selbst sind hier das Ärgerliche, es ist der kluge Kopf, der dahintersteckt: ein Mann mit dem sprechenden Namen Puff Daddy. Um ihn wird es im weiteren immer wieder gehen – ist er, der Bad Boy und Entertainment Boss, doch der Ex- Produzent und Ex-Vertraute des einen der beiden ausschlaggebenden Rap-Toten der letzen 13 Monate: Notorious B.I.G. Neben Tupac Shakur, dem bei diesem Drehbuch eher die politische Rolle zukommt, sind vor allem der verstorbene B.I.G. und eben Puff Daddy ganz entscheidend an der Weiblichkeitskonstruktion von rappenden Erfolgsmodellen beteiligt. Puff Daddy, der Patron, hat alles im Rennen, was zum Home-Porn- Kuscheln nötig ist. Er hat die Witwe und die Geliebte von Notorious B.I.G. an der Hand.
Die Zu- und Einschreibungsmodelle für Frauen im Rap scheinen sich 1997 vervielfältigt zu haben. Alle Welt tut so, als ob vom Soft-Porn-Image bis zur Rough- Neck-Butch alles vorhanden und so gut wie selbstbestimmt sei. Die „Schlampen-Ära“, wie ganz unzulänglich im ziemlich unerträglichen Stern-Artikel von Jörg Heiser und Christian Seidl formuliert wurde, gibt vor, man hätte es hier mit der Rückeroberung und Neubesetzung von Sprachhegemonien im Stil von „Nigger“ oder „Kanake“ zu tun. Doch das Wort „Bitch“ bleibt schlicht abwertend, ohne den Power-, Angst- oder Machtbonus seiner männlichen Pendants.
Daß diese Identifikationsangebote im letzten Jahr die medial und kommerziell beliebtesten waren, läßt Zweifel an den optimistischen Frauen-erobern-Rap-und-R&B- Berichten (wie etwa von Diedrich Diederichsen in der Januar-Spex) aufkommen. Impliziert die Mitgliedschaft im Visa-VIP-Club schon Macht und Unabhängigkeit? Was macht die Faszination dieses fundamentalistisch-konservativen Post-Thelma-und-Louise- Kitsches aus? Warum wird ausgerechnet bei Rapperinnen Einschränkung als Befreiung oder zumindest als Selbstkonstruktion definiert, wo die Fremdbestimmung – etwa bei Kim oder Foxy – noch nicht mal von den Protagonistinnen selbst geleugnet wird?
Lil' Kim zum Beispiel gewinnt ihre Stärke durch Anbindung an wichtige Männer, nicht durch ihre herausragenden MC-, Produzentinnen- oder Sängerinnentätigkeiten. Ihre Kolleginnen Foxy Brown oder auch Aaliyah haben ihre Starts auch nur durch Anheirat oder Verbindungen gekriegt, sehen aber immerhin mittlerweile, wie sie's hätten besser machen können, oder – in Aaliyahs Fall, die jetzt auch unabhängig von Mentor R. Kelly erfolgreich ist – machen es einfach besser. „Ich war zu naiv. Ich konnte mir nicht mal aussuchen, was ich anziehn will“, konnte man von einer geläuterten Foxy hören. Auch Lil' Kim wird's noch lernen – aber she's taking it the hard way: wie immer „Hard Core“.
Kim und B.I.G.-Witwe Faith haben sich immer noch um die Verstorbenen und ihre Verwalter zu gruppieren – sexy Witwendarstellerinnen. Nie bleibt unerwähnt, daß Faith ausgerechnet mit Tupac Shakur, dem Feind und ersten aufsehenerregenden Rap-Toten, ein Verhältnis hatte, und daß Lil' Kim ganz offiziell B.I.G.s Geliebte war. Die beiden existieren vor allem durch ihre Bezüge zu den beiden großen Toten und dem gewitzten Puff Daddy, der den Ersatz für B.I.G. macht. Da stört es die Musikhörenden wenig, daß die Musik dieser „Familie“ wirklich ganz unerträglich, zumindest unaufregend ist. Im Ernst, will jemand wirklich World-Ethno-Popper Sting bei einer Rap-Show sehen und „Every breath you take“ raunen hören? Spielt deswegen MC Lyte ein Super-Set vor minimalem Publikum im Berliner SO36, während Puff Daddy, der mit den beiden Witwen auf Tour kommt, schon jetzt ausverkauft ist?
Warum verzichten Musikmagazine darauf, die wirklich phetten Platten geiler MCs aufs Cover zu packen – als ob Lil' Kims „Hard Core“ an „Bad As I wanna Be“ von MC Lyte rankommen würde oder gar an „Supa Dupa Fly“ von Missy Elliott? Warum kriegt man überhaupt so spät was von Frauen wie Missy Elliott mit – und kann aber darauf zählen, jede Haarfarbenänderung Lil' Kims dokumentiert zu finden? Trotz des Respekts, den es für MCs wie YoYo, Mc Lyte oder Latifah gibt, knallen die Disziplinierungspeitschen, wenn eine sich aus den vorgesehenen Weiblichkeitsmustern wegbewegt. Rügen für Latifah, die in der Filmkomödie „Set it Off“ die prollig butchige Lesbe gab, und die permanente Kontrollfrage, vom Black-Music-Magazin Vibe bis zur Bravo, ob Janet nun wirklich dick geworden sei, und wie Missy Elliott mit ihrem Figurproblem (hat sie eins?) umgeht. Kann sich jemand vorstellen, daß Couch Potato LL Cool J im Interview eine Diät angeraten wird, daß ihm wegen seines zunehmenden Stiernackens die „Isaac-Hayes der Neunziger“-Rolle und der „Music to make love by“-Bonus abgesprochen wird? Nie hätte jemand Real Big Guys wie Notorious B.I.G. gewagt zu fragen, ob sie Figurprobleme haben. Genausowenig wird Busta Rhymes' Hintern in den Artikeln über ihn erwähnt. Als ob Busta nicht aus genau demselben Grund angehippt wird wie Lil' Kim: „As sexy as we want them to be.“ Da kann man nur allen, die 1997 zum Jahr des selbstbestimmten „Schlampen-Rap“ ausriefen, frei nach Missy, die Tollwut an den Hals wünschen. What's up – you think you tuff?
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