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Freedom is just another word

■ Ein Simplicissimus aus Afrika: Ken Saro-Wiwas „Sozaboy“ endlich in deutscher Übersetzung

Der nigerianische Schriftsteller, Journalist, Drehbuchautor, Menschenrechtler und Umweltschützer Ken Saro-Wiwa ist in Deutschland nicht wegen seines literarischen Werkes bekanntgeworden. Eine interessierte Öffentlichkeit nahm ihn überhaupt erst wahr, als ihn der nigerianische Militärdiktator Sani Abacha am 10. November 1995 mit acht weiteren Regimekritikern zum Tode verurteilte und hinrichten ließ. Zur Last legte ihnen das Militärtribunal einen vierfachen Mord, den sie sogar der richterlichen Urteilsbegründung zufolge nachweislich nicht begangen hatten.

Kenner der nigerianischen Literaturszene hatten die Bücher Saro- Wiwas schon vor Jahren auch deutschen Verlegern ans Herz gelegt. Vergeblich. Schließlich griff der Münchner Taschenbuch-Verlag zu, der im April dieses Jahres Saro-Wiwas Erzählband „Die Sterne dort unten“ herausgab und nun dessen bekanntestes Buch, den Roman „Sozaboy“ übersetzen ließ. „Sozaboy“ schildert den Biafra-Krieg 1967 bis 1970 aus der Sicht eines jugendlichen Soldaten – daher auch im Original der Buchtitel „Sozaboy“, eine dialektartig verwaschene Aussprache des englischen „soldier boy“, also „Soldatenjunge“.

Mene, so heißt die Hauptfigur, meldet sich freiwillig zur Revolutionsarmee, weil sie regelmäßige Mahlzeiten sowie eine schöne Uniform bietet – und weil er seine Freundin Agnes beeindrucken will, die auf stattliche Jungs steht. Spätestens beim Luftangriff der Regierungstruppen wird Mene in den Sümpfen des Nigerdeltas allerdings bewußt, daß sich hinter den schönen Versprechungen von Freiheit und Abenteuer nur Lug und Trug verbergen. „Sozaboy“ endet tragisch, realistisch, aber was den Roman unbestritten zum besten einer langen Reihe nigerianischer Romane über den Biafra- Krieg macht, ist der distanzierte Witz Saro-Wiwas und dessen Sinn für komische Absurdität. Nicht umsonst wird „Sozaboy“ mit Grimmelshausens „Der abenteuerliche Simplicissismus Teutsch“ verglichen, denn in beiden Romanen schlägt sich ein naiver junger Held mit Geschick und Glück durch die Wirren eines Krieges, und beide Helden werden den Lesern in einer einfachen Sprache nahegebracht.

„Rotten English“, kaputtes Englisch, nannte Saro-Wiwa die Sprache, in der er „Sozaboy“ schrieb und zwar als erstes nigerianisches Buch durchgehend, nicht nur passagenweise. Er wollte in der Sprache der Menschen auf der Straße schreiben, und deshalb blieb ihm die Anerkennung der universitär gebildeten Literaturkritiker und Schriftstellerkollegen lange verwehrt. Eben deshalb galt das Buch auch als schlichtweg unübersetzbar. Gerhard Grotjahn- Pape, der den Roman nun ins Deutsche brachte, hat seine Aufgabe trotzdem hervorragend gelöst. Er vermied gekünstelte Wortschöpfungen und unglaubwürdige Dialektwendungen und strebte wie Saro-Wiwa nach lässiger Lesbarkeit – und die ist ihm in atemberaubend einfacher Weise gelungen. Manfred Loimeier

Ken Saro-Wiwa: „Sozaboy“. Roman. dtv, München 1997, 268 Seiten, 19,90 DM

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