: Südkorea geht bei seinen Bürgern betteln
■ Gold aus dem Privatbesitz der Südkoreaner soll zum Abbau des Auslandsschuldenbergs verwendet werden. Der IWF gibt unterdessen weitere Kredite frei. Die Landeswährung Won stürzte zum Jahresende trot
Seoul (dpa/AP/taz) – In Südkorea wurden gestern via TV alle Bürger aufgerufen, ihre privaten Goldschatullen zu plündern. Das Edelmetall sollen sie hergeben, damit der riesige Schuldenberg abgebaut werden kann, den zum allergrößten Teil Banken und andere Konzerne angehäuft haben. Die Südkoreaner besitzen angeblich zusammen etwa 2.000 Tonnen Gold im Wert von 20 Milliarden Dollar. Das ist gut ein Drittel dessen, was der IWF Südkorea an Beistandskrediten versprochen hat. Die Auslandsschulden Südkoreas betrugen nach Angaben des Finanzministeriums in Seoul am 20. Dezember deutlich über 150 Milliarden Dollar.
Das staatliche Fernsehen startete eine Sammelkampagne: Die Bürger sollen ihr Gold entweder spenden oder aber es unter dem Marktpreis an Exporteure verkaufen. 50 Goldexperten meldeten sich freiwillig, um bei der Sammlung zu helfen. Zahlreiche Organisationen und Gruppierungen riefen ihre Mitglieder auf, Gold zu spenden.
Die Aktion ist nicht ohne Chancen. Die Firma Samsung, einer der größten Konzerne des Landes, meldete gestern, sie habe von ihren Mitarbeitern bereits Gold im Wert von 418.000 Dollar eingesammelt. An einer eigens zu diesem Zweck eingerichteten Sammelstelle konnten die Mitarbeiter ihren Goldschmuck oder etwa die Medaillen abgeben, die sie für besondere Verdienste von dem Unternehmen erhalten hatten.
Vor 90 Jahren gab es bereits eine ähnliche Sammlungsaktion. Damals stand Südkorea bei seiner Kolonialmacht Japan in der Schuld. Der Spendenaufruf brachte 1907 etwa ein Sechstel der Gesamtschulden zusammen.
Die kurze Erholung an den südkoreanischen Finanzmärkten war am letzten Handelstag des Jahres 1997 schon wieder zu Ende. Die Landeswährung hat am Mittwoch noch einmal deutlich nachgegeben: Der Dollar wurde mit 1.695 Won notiert nach 1.550 am Dienstag. Damit hat der Won seit Ende 1996 rund 50 Prozent seines Werts verloren. Da sich Importe dadurch immer weiter verteuern, hat auch die Inflation deutlich angezogen auf 6,6 Prozent im Dezember. Der Internationale Währungsfonds (IWF) hatte am Mittwoch weitere 1,08 Milliarden Dollar an die südkoreanische Zentralbank überwiesen, damit das Land seine Devisenknappheit überbrücken kann. Damit haben IWF, Weltbank und die Asiatische Entwicklungsbank seit Anfang Dezember 16 Milliarden von den insgesamt versprochenen 57 Milliarden Dollar an Krediten freigegeben. Bis Ende Januar wollen 13 Industrieländer zusätzlich acht Milliarden Dollar lockermachen. lieb
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