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Mit dem Berliner Bären durchs Internet

■ Hauptstadt und Bezirke präsentieren sich im Internet: schön bunt, aber etwas chaotisch. Der Senat wirbt, man glaubt es nicht, mit einem Grillausflug in den Tiergarten um Berlin-Besucher

„What's cool?“ fragt der kleine dicke Bär auf der Homepage des Landes Berlin (http://www .berlin.de). Ein Mausklick auf das Wappentier der Stadt fördert spannende Informationsangebote „aus dem täglichen Landespressedienst“ und „Mitteilungen des Statistischen Landesamtes“ zutage. Aus den Dezember-Pressemitteilungen des Statistischen Landesamtes erfährt man, was die Krankenhäuser den Steuerzahler kosten und daß 8.800 Berliner Weihnachten Geburtstag haben.

Zurück zur Homepage. Über dem Bärchen sind acht Bildchen zu unterschiedlichen Themen: Politik und Gesellschaft, Wirtschaft oder auch Leben und Arbeiten. Ein Klick auf das Rote Rathaus, und der Surfer bekommt in „Politik und Gesellschaft“ einen Schnellkurs über die Grundzüge der Demokratie erteilt. Wahlweise mit Kurzinfos zum politischen System allgemein, dem Landesparlament oder der Landesregierung, aber auch zur Bundeshauptstadt Berlin (mit Umzugsgesetz vom 10.3. 1994!). Unter „Landesregierung“ trifft man auch den Regierenden Bürgermeister an. Haben Sie gewußt, daß Eberhard Diepgen 1962 Vorsitzender des Astas der Freien Universität war? Sie wollen ihm endlich mal die Meinung sagen? Nichts leichter als das: eberhard .diepgen@t-online.de.

Bisweilen ist während der Abgeordnetenhausdebatte sogar eine Live-Kamera eingeschaltet. Die virtuelle Demokratie, Berlin, das globale Dorf! Aber wenn man Pech hat, ist nur ein Standbild zu sehen. So was wird dann mit „technischen Problemen“ entschuldigt.

„Berlin im Überblick“ auf der Homepage mit der Goldelse als Symbol hat eher etwas für NichtberlinerInnen zu bieten. Beim Klick auf „Sightseeing“ und gleich danach auf „Stadtübersicht“ taucht eine grüne Berlin-Karte auf, schön unterlegt mit dem Brandenburger Tor, einer Ansammlung von kleinen roten Punkten in der Mitte. Die Maus gleitet heran und trifft. „Die Friedrichstraße, einst Berlins zentrale Einkaufsstraße, bemüht sich, mit moderner Architektur wieder Anziehungspunkt zu werden.“ Noch mehr Sehenswürdigkeiten gewünscht? Hinter einem roten Punkt am linken Rand verbirgt sich das Evangelische Johannesstift, „mitten im Spandauer Forst gelegen“. Auch ganz schön. Versuchen wir es mal im Zentrum, dem Tiergarten. „Im Sommer, bei gutem Wetter, ist ein Grillausflug in den Park mit der gesamten Familie eine beliebte Wochenendtour vieler Berliner.“ Mal sehen, wie lange noch, die CDU will das Braten unter freiem Himmel bekanntlich verbieten. Am besten ist „Berlin im Überblick“. Der Link auf den Stadtplan, der sogar ein Kästchen für die Suche nach Straße und Hausnummer hat.

Über http://www.berlin-info.de/ können Hotels und Stadtführungen erfragt und gebucht werden. Außerdem präsentieren sich dort die Berliner Bezirke. Am schönsten zeigt sich eindeutig Kreuzberg. Der Bezirk hat nämlich eine extra Homepage, die Kreuzberg online. Unter der Skyline findet der/die SurferIn Infos aus dem Rathaus, aber auch eine City Map, unterteilt in Planquadrate, die noch einmal vergrößert auf den Bildschirm geholt werden können. Oder auch KreuzbergerInnen mit ihren Homepages, zum Beispiel Familie Freyer. Auf einer bunten Seite mit Fotos von Familie mit Hund geben sie Tips für Ausflüge in und um Berlin. Herzallerliebst ist die Playpage vom fünfjährigen Markus mit Bildern von Winnie The Pooh und seinem großen Freund Christian.

Kreuzberg-Kultur hat alles zu bieten von Galerien über Sehenswürdigkeiten bis zu Kids und Jugend. Die aktuellen Veranstaltungen sind leider seit September nicht mehr aufgefrischt worden. Die Selbstdarstellung der restlichen Bezirke ist eher einfallslos. Schöneberg stellt historische Bilder vom Viktoria-Luise-Platz 1906 oder dem Rathaus Friedenau von 1916 auf seinen Seiten zur Schau. Als Gestaltungselement hat sich bei den meisten Bezirken die Begrüßung durch den Bezirksbürgermeister durchgesetzt. Nachdem die Reinickendorfer CDU-Bürgermeisterin Marlies Wanjura im November noch von den Surfern von „nah und fern“ gesprochen hat, ist sie nun doch lieber auf die „Sehr geehrten Damen und Herren“ übergegangen. Für Tempelhof lächelt noch immer der zurückgetretene Bezirksbürgermeister Wolfgang Krüger (CDU) mild von der Homepage und freut sich über die „Vervollkommnung der elektronischen Möglichkeiten“. Der Wilmersdorfer Bezirksbürgermeister Michael Wrasmann (CDU) legt dem „sehr geehrten Internetbesucher“ einen Spaziergang im Grunewald nahe. That's cool, man! Elke Eckert

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