: Wie der Name schon sagt
■ Mit höchster Priorität ins ARD-Jahr 1998: "Sabine Christiansen" (So., 21.45 Uhr, ARD)
Infotainment. Ausgerechnet „die bei weitem glaubwürdigste Person“, wie ARD-Programmdirektor Günter Struve die Ex-„Tagesthemen“-Moderatorin nannte; ja, ausgerechnet unser aller Sabine Christiansen hatte die böse Markwortvokabel in den Mund genommen. Was nutzte es da, daß sie bei der Pressekonferenz zum Start ihrer neuen Sendung schnell noch ein „mit dem seriösen Informationsanspruch der ARD“ hinterherschickte; gesagt ist gesagt. Und damit mehr als genug.
Denn die einstündige Fernsehsendung, die ab morgen wöchentlich die Erste Reihe zu informieren und entertainen gedenkt, ist nicht irgendein neues ARD-Magazin. Nein, jenseits von „Fliege“ und „Ruge“ soll „Sabine Christiansen“ sein wie der Name schon sagt.
Zwar läßt Jürgen Kellermann, Fernsehdirektor des NDR, der das Projekt gemeinsam mit dem WDR zu zwei Dritteln finanziert, keinen Zweifel daran, daß die Sendung „so oder so“, also auch ohne die Namens- und Ideengeberin, realisiert worden wäre. Froh darüber, die 39jährige als Frontfrau gewonnen zu haben, ist man trotzdem. Schließlich ist Sabine Christiansen den Fernsehzuschauern ein Begriff; und „Sabine Christiansen“ soll ihnen genau das werden. Weswegen man ihr nach gut zweijähriger Vorbereitung eine „ziemlich gute Location“ (im Herzen West- Berlins mit Blick auf die Gedächtniskirche), einen ziemlich guten Jahresetat (in zweistelliger Millionenhöhe – man munkelt 16 Millionen), „den bestmöglichen Sendeplatz“ (im Anschluß an den allzeit quotenstarken Sonntagskrimi) und Ehemann Theodor Baltz als Produzenten verschaffte – und der Sendung im Programmjahr 1998 höchste Priorität einräumte.
Betreffs Sendeplatz und Themenspektrum in unmittelbarer Konkurrenz zu „Focus TV“ einerseits und Erich Böhmes (vom „Christiansen“-Studio sogar räumlich nur wenige hundert Meter entfernten) „Talk im Turm“ andererseits, wird „Sabine Christiansen“ letztlich wohl eine Mischung aus beidem: Obgleich das Gespräch mit Gästen im Mittelpunkt stehen soll, will man durch kleine Filmbeiträge, Live- Schaltungen und -Interviews das jeweils monothematische Magazin „massenattraktiv“ machen: „Wie eine Titelgeschichte im Spiegel oder im Focus“, erläuterte Christiansen das Konzept, das der ARD schon zweistellige Marktanteile sichern soll, wenn die herbeizitierten Zeitschriften noch auf dem Weg zum Leser sind ... Und wie bei einer Titelgeschichte sei als Thema der Woche auch alles denk- und brauchbar, was „aktuell“ und „interessant für Millionen“ sein könnte: „1998 – Wechselfieber“ heißt denn auch der Auftakt-Titel mit kolossal monothematischen Gästen wie Luxemburg-Minister Jean-Claude Junker, Selfmade- Millionär Julian Riedbauer, Wolfgang Schäuble (war der nicht erst wegen „1997“ bei Bio und Böhme?), sowie (evtl.) Franz Beckenbauer, dem Kabarettisten Matthias Beltz, Christiane Hörbiger und dem Intendanten der Berliner Staatsoper Daniel Barenboim für die Abteilung Kunst & Kultur.
Doch auch ohne Verlegenheitsgast Barenboim kommen Kunst & Kultur nicht zu kurz. Zumindest für Programmdirektor Struve ist ein Vollprogramm wie die ARD ohnehin „eines der letzten großen Kunstwerke“, dem zur Vollendung nur eine „sehr personalisierte Show“, eine „von allen immer gewünschte Form einer Gesprächssendung“ fehle.
Nun fehlt der ARD in der Tat eine sehr personalisierte Show. Ja, genau: „Privatfernsehen“ hieß die. Doch hatte Friedrich Küppersbuschs allwöchentliche Gesamtkunstwerkstatt eben keine von allen immer gewünschte Form, wie ja nicht erst deren vorweihnachtlich-fadenscheiniges Aus deutlich machte. Überdies kommen die infolgedessen freigewordenen Kapazitäten der Christiansenschen Massenattraktion sehr zupaß: der zwölfköpfigen „Christiansen“-Redaktion die brachliegende Recherchewut des einen oder anderen Küppersbusch-Mitarbeiters, der sechzigminütigen „Christiansen“- Sendung die Küppersbusch-Regisseurin Alexandra Farrensteiner und dem achtstelligen „Christiansen“-Etat die eine oder andere brachliegende Küppersbusch- Mark (9 Millionen). Parallelen, die so weit hergeholt nicht sind: Immerhin beteiligt sich der WDR mit mindestens viereinhalb Millionen Mark an der ARD-Gemeinschaftsproduktion. Geld, das ohne Küppersbusch zweifellos leichter locker zu machen war als mit. Und — mal ganz ehrlich – was würde „Sabine Christiansen“ schon enthüllt, wen eingeladen, womit infotained haben können, womit nicht schon zwei Tage zuvor die kleine „privatfernsehende“ Infoelite bei Küppersbusch aufgewartet hätte?
Wer will schon anspruchsvolles Infotainment, wenn er auch anspruchsvolle Infopinion haben konnte? Christoph Schultheis
Siehe auch: „Vor dem Start. Entstehung und Konzept des neuen Magazins“ So., 15.05 Uhr, ARD
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