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Touristischer Event statt katholisches Hochamt

■ Fremdenverkehrsdirektoren als Schüler von Bischöfen. Das Sakrale von gestern ist das Touristische von heute. Über die Parallele von touristischen und kirchlichen Heilsversprechen

Die Zusammenhänge zwischen Religion und Tourismus sind zwar noch immer nicht genau erforscht, die Parallelen jedoch derart auffällig, daß viele längst die Rituale eines sogenannten Events aus den Erkenntnissen über ein katholisches Hochamt ableiten. Denn immerhin trifft die Übereinstimmung zwischen beiden Branchen, um es salopp zu formulieren, bereits auf ihre Zielsetzung zu. So, wie die Religion nämlich ihre Aufgabe darin sieht, ihren Anhängern das jenseitige Heil zu versprechen und durch die Sicherheit dieses Versprechens bereits einen Teil dieses Heils im Diesseits wirksam werden zu lassen, ist der Tourismus immer schon davon ausgegangen, in seinen Werbebotschaften die Ikonen des irdischen Paradieses einmal am Strand unter Palmen, einmal in den Bergen bei einem Wasserfall oder unter dem Lebensbaum oder einmal im Schnee auf fliegenden Snowboards aufzuschlagen. Wobei dem Tourismus eines zum Vorteil gereicht: Er hat sich nicht wie die Religionen mit der Tatsache des menschlichen Leids herumzuschlagen. Ihm gehört die rituelle Verwaltung des Glücks. Dennoch wäre die junge Branche gut beraten, bei den Religionsprofis, die ihr Geschäft schon seit Tausenden von Jahren betreiben, in die Schule zu gehen. Fremdenverkehrsdirektoren als Schüler von Bischöfen. Das Sakrale von gestern als das Touristische von heute. Die Wallfahrt von früher der Urlaub zu Pfingsten. Der Ablaß von anno dazumal die Erholung der Gegenwart. Eine Zusammenfassung der Überlegungen kann also lauten:

– Die Religion schafft Rituale für das Heil der Gläubigen.

– Der Tourismus als der kleine säkularisierte Bruder der Religion schafft Rituale für das Heil seiner Gäste.

– Das Ritual ist die Kunst, die Abfolge der Geschehnisse so zu steuern, daß die daran Beteiligten am richtigen Ort und zur richtigen Zeit optimale Bedingungen vorfinden, glücklich zu sein.

– Je kreativer eine Lebenskultur in der ästhetisch befriedigenden Ausgestaltung solcher Rituale ist, desto attraktiver ist sie auch für den Tourismus. Alois Schöpf

Der Autor ist Chefredakteur der Tourismuszeitung SAISON Tirol und Kolumnist bei der Tiroler Tageszeitung.

Der Beitrag ist entnommen aus:

Albrecht Steinecke/Mathias Treinen (Hrsg.): „Inszenierung im Tourismus. Trends–Modelle– Prognosen.“ EUROPÄISCHES TOURISMUS INSTITUT GmbH an der Universität Trier 1997, 188 Seiten, 49 DM.

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