Abschiebeknast soll wieder in Betrieb

■ Gewahrsam in der Kruppstraße wird trotz schlechter Haftbedingungen nach zwei Jahren neueröffnet, weil Zahl der Abschiebehäftlinge stark angestiegen ist. Asylbewerber müssen seit November vom Gefängnis

Der Senat will den vor mehr als zwei Jahren wegen unzumutbarer Haftbedingungen geschlossenen Abschiebegewahrsam in der Kruppstraße „Anfang des Jahres“ wieder in Betrieb nehmen. Das erklärte Innensenatssprecherin Isabelle Kalbitzer. Das Land läßt sich den zusätzlichen Abschiebeknast 1,1 Millionen Mark kosten. Davon gehen 500.000 Mark in „bauliche Maßnahmen“. Kalbitzer zufolge sind damit vor allem die „Verbesserung der Sicherheitsstandards“, aber auch einige neue Einrichtungsgegenstände, die sie nicht näher benennen konnte, gemeint.

Der Abschiebeknast in Grünau mit 371 Haftplätzen platzt inzwischen aus allen Nähten. Derzeit sind dort bei täglichen Schwankungen zwischen 330 und 370 Abschiebehäftlinge untergebracht. Zusätzlich werden Frauen seit September in der Justizvollzugsanstalt Tegel untergebracht. Alle Plätze können nicht ständig benutzt werden, da die Geschlechter getrennt werden und „Einzelzellen für Ausnahmesituationen“ vorbehalten werden müssen, so Kalbitzer.

Die Belegungszahlen sind jedoch erst im Sommer so hochgeschnellt. Davor gab es nur etwa 220 Abschiebehäftlinge. Die durchschnittliche Haftdauer beträgt nach Angaben von Innensenator Jörg Schönbohm (CDU) 5,5 Tage und liege damit „erheblich unter dem Bundesdurchschnitt“. Mindestens 70 Häftlinge sitzen nach Kenntnis von Flüchtlingsorganisationen jedoch derzeit länger als einen Monat in Grünau, zehn sogar länger als sechs Monate. Die längste Haftdauer in Grünau betrug nach Senatsangaben 208 Tage.

Flüchtlingsorganisationen machen willkürliche Razzien vor allem gegen bosnische Bürgerkriegsflüchtlinge für die Überfüllung des Abschiebegewahrsams Grünau seit dem Spätsommer verantwortlich: Geraten Flüchtlinge, die keinen Paß, sondern lediglich über eine sogenannte „Grenzübertrittsbescheinigung“ verfügen, in eine ganz normale Personenkontrolle, werden sie sofort nach Grünau gebracht und dort festgesetzt.

Seit November sorgt das veränderte Asylverfahrensgesetz ebenfalls für eine gestiegene Zahl von Abschiebehäftlingen: Wer im Knast einen Asylantrag stellt, wird nicht mehr wie früher entlassen, sondern muß sein Asylverfahren aus der Haft heraus bewältigen. Das ist jedoch sehr kompliziert: Für gerade in die Stadt kommende Asylsuchende heißt es jetzt, mit der Polizei „Hase und Igel“ zu spielen. Kommen sie rechtzeitig zur Zentralen Aufnahmeeinrichtung für Asylbewerber, so werden sie während des Asylverfahrens in einem Flüchtlingsheim untergebracht. Gelangt aber ein hilflos herumirrender Flüchtling vorher zufällig in eine Personenkontrolle, dann wird der Knast zum Asylbewerberheim. Die Folge: Viele der Betroffenen wissen deshalb gar nicht, warum sie im Knast sitzen.

Die Flüchtlinge sind in Grünau von der Infrastruktur für Asylbewerber, zum Beispiel Verfahrensberatungen von Rechtsanwälten oder Therapieangeboten für Gefolterte, total abgeschnitten. Werden sie dann jedoch völlig unvorbereitet zum alles entscheidenden Anhörtermin im Bundesamt für die Anhörung ausländischer Flüchtlinge gerufen, schwinden die ohnehin geringen Chancen auf Anerkennung als Asylberechtigte, weil sie vorher nicht beraten wurden. Erst im Klageverfahren können sie eventuell die Zelle gegen einen Platz im Flüchtlingsheim tauschen.

Das neue Gesetz schreibt eine Verfahrensberatung im Knast jedoch vor. Aber die gibt es in Berlin nicht. Der Republikanische AnwältInnenverein bietet zwar eine Beratungstätigkeit an, doch dies geschehe, so Rechtsanwalt Ralf Fischer, „absolut ehrenamtlich“ und könne keine gesetzlich vorgeschriebene Beratung ersetzen. Die Anwälte reden mit den Insassen, wie sie zum Beispiel Beschwerden gegen Haftbeschlüsse einlegen können. Auf die Gruppe der Asylantragssteller sei die wöchentliche Sprechstunde aber nicht ausgerichtet, erklärt Fischer. Marina Mai