: Bürokratische Knastrevolte
Gefangene der JVA Lauerhof reichen Sammelpetition beim Kieler Landtag ein und stellen Strafanzeige gegen Anstaltsleitung ■ Von Elke Spanner
Wenn sich rund hundert Gefangene zusammenschließen, um bessere Haftbedingungen durchzusetzen, dann ist das für Klaus Laßmann nichts als Querulantentum. „Die wollen sich doch nur einen Spaß mit uns machen“, ist der Leiter der Justizvollzugsanstalt Lauerhof in Lübeck überzeugt. Ihren Scherz packten die Gefangenen allerdings in handfeste juristische Formen. 50 Insassen reichten gestern eine Sammelpetition beim Schleswig-Holsteinischen Landtag ein, 49 unterschrieben eine Strafanzeige gegen die Anstaltsleitung wegen fahrlässiger Tötung. Tragischer Hintergrund ist nicht die Langeweile einiger Insassen, sondern der Selbstmord des Gefangenen Uwe Z. in der vergangenen Woche.
Die Stimmung in Lauerhof ist schon länger gereizt. „Wir haben hier die Zügel etwas angezogen“, bekennt Laßmann. Daß im November ein Gefangener über die Mauern entkommen war, müssen alle Insassen mit Repressalien bezahlen: „Ausführungen genehmigen wir nur noch sehr restriktiv, und wer Urlaub oder Ausgang bekommt, schauen wir uns sehr genau an“. Die Gefangenen, so höhnt er, würden eben „jede Gelegenheit nutzen, uns zu schaden“.
Die aktuelle Gelegenheit brachte in der Tat das Faß zum Überlaufen. „Wir sprechen viel über den Tod von Uwe Z.“, erzählt ein Gefangener, der ungenannt bleiben möchte, der taz. „Es war bekannt, daß er sich umbringen wollte. Aber niemand hat sich um ihn gekümmert.“Adelheid Winking-Nikolay, Kieler Abgeordnete der Bündnisgrünen, hatte Uwe Z. erst vor zwei Wochen besucht und beobachtet, daß er kaum noch in der Lage war zu sprechen. Auch für Laien sei der „psychische Verfall“offensichtlich gewesen. Für Laßmann hingegen nicht. Der will den Eindruck gehabt haben, Uwe Z. sei „relativ stabil“gewesen – obwohl er nur zwei Wochen vor seinem Tod versucht hatte, seine Zelle anzuzünden. Seinen Psychiater hat er danach nicht mehr zu Gesicht bekommen. Der wollte laut Laßmann „mit seiner Familie Weihnachten feiern“.
Rund 80 Petitionen hatten Gefangene der Vollzugsanstalten in Lübeck, Neumünster und Schleswig in den vergangenen Monaten eingereicht. Zum Erstaunen von Winking-Nikolay wurden etliche wieder zurückgezogen. Auf Nachfrage bei Gefangenen in Lauerhof habe sie dann erfahren, daß die Bediensteten erheblichen Druck ausgeübt hätten. „Einem Gefangenen wurde gedroht, daß er keinen Ausgang mehr bekommen werde, bis über die Petition entschieden sei, da seine Unterlagen solange in Kiel seien“, berichtet die Abgeordnete empört. Auch jetzt überwiege bei vielen die Angst vor Repressalien. „Daß dennoch so viele die Petition und die Anzeige unterschrieben haben, ist erstaunlich.“
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