: Togoer Opfer einer Gerichtsposse
■ Nach schweren Fehlern im Asylverfahren steht ein 30jähriger Muslim vor der Abschiebung / Vor Gericht vertrat ihn der falsche Anwalt, Dolmetscher für seine Muttersprache gab es nicht
Die deutsche Bürokratie hat ihre Tücken. Niemand weiß das besser als Issah M. Der 30jährige Flüchtling aus Togo verhedderte sich in ihren Fallstricken. Noch in dieser Woche muß er deshalb seine Abschiebung befürchten – falls das Bremer Verwaltungsgericht dem gläubigen Muslim nicht noch eine letzte Gnadenfrist für einen Asylfolgeantrag einräumt. Grund dafür gäbe es aus Sicht seiner Anwältin Renate Blöhbaum mehr als genug: „Issah M. muß endlich ein richtiges Asylverfahren bekommen“, fordert sie und führt drastische Mängel in den vorangegangenen Verfahren an. Dabei habe ihr Mandant keine Chance bekommen, seine Fluchtgründe ausführlich und vollständig übersetzt vorzutragen. Ohne eine solche Chance dürfe er nicht abgeschoben werden.
Der Gipfel aller Verfahrensfehler hat sich dabei in diesem Sommer vor dem Bremer Verwaltungsgericht zugetragen. Dort hatte Issah M. Widerspruch gegen ein früheres Asyl-Nein des Asylbundesamtes eingelegt. Seine Begründung: Die Anhörung dort habe nicht in seiner Muttersprache Kotokoli stattgefunden, sondern in arabisch. Dabei habe M., der an einer Koran-Schule in Saudi-Arabien zum Prediger ausgebildet worden war, das Arabisch des Übersetzers nicht immer verstanden. Diesen und andere Einwände konnte Issah M. den Richtern am Verwaltungsgericht allerdings nicht vortragen – weder er noch seine Anwältin erfuhren nämlich vom Termin der Verhandlung.
Die Verhandlung fand statt dessen in Anwesenheit eines anderen Anwaltes statt. Dieser hatte Issah M. zwar direkt nach dessen Ankunft in Bremen vor drei Jahren vertreten, dann hatte der Togoer dem Juristen jedoch das Mandat entzogen. Dessen Kanzlei hatte alle Akten daraufhin an die neue Anwältin gefaxt. Das Gericht soll von der neuen Zuständigkeit gewußt haben. Warum der alte Anwalt dennoch – und offenbar ohne jede Absprache mit seinem vermeintlichen Mandanten – von der Asylkammer geladen wurde und dort auch noch erschien, bleibt rätselhaft. Der Anwalt und der zuständige Richter waren gestern nicht zu erreichen.
Für Issah M.'s Asylverfahren hatte all das gravierende Folgen: Seinen Widerspruch gegen die Asyl-Ablehnung lehnte das Verwaltungsgericht ab. Für BeobachterInnen ist das logisch – „wenn der Anwalt keinen Kontakt mit seinem vermeintlichen Mandanten hat, wie soll er ihn vertreten?“, sagt Ghislaine Valter von der Aslygruppe Ostertor. Sie kennt Issah M. seit Jahren. „Es ist ein ganz frommer Mann, der in Togo gegen das Regime von Eyadema gepredigt hat. Die Bruderschaft, der er angehört, gilt als oppositionsfreundlich. Ihn erwartet in Togo nichts Gutes.“
Als Issah M. von der Entwicklung der Dinge erfuhr, war es zu spät. Die letzten Fristen für einen Widerspruch vor Gericht waren verstrichen; alle Benachrichtigungen waren an die Adresse des alten Anwalts gegangen. „Anwaltsverschulden muß er sich zurechnen lassen“, weiß seine heutige Anwältin. Noch kämpft sie dafür, daß die jüngste Entwicklung in Togo vor Gericht berücksichtigt wird. Seit einer Regierungserklärung des Eyadema-Regimes zur Lage der togoischen Flüchtlinge in Deutschland fürchtet sie das Schlimmste. Deshalb hätte das Asylbundesamt Issah M.'s letzten Asylantrag nicht ablehnen dürfen, ohne zuvor die aktuelle Gefahr abzuschätzen. Sich dabei auf eine informelle Erkundigung des Bremer Verwaltungsgerichtes zu verlassen, sei ein weiterer Verfahrensmangel. ede
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