: Einig gegen Terrorismus
Staaten der Arabischen Liga beschließen gemeinsame Strategie ■ Von Reiner Wandler
Madrid (taz) – Noch unter dem Eindruck des Massakers im algerischen Relizane haben sich die arabischen Innenminister auf eine gemeinsame Strategie „im Kampf gegen die terroristische Plage“ geeinigt. Künftig wird keines der 22 Länder der Arabischen Liga Menschen Asyl gewähren, die in einem Mitgliedsland wegen Terrorismus gesucht werden, entschieden die Minister am Sonntag abend auf ihrer Jahressitzung in Tunis. Ferner bekundeten sie ihren Willen, keine bewaffneten Oppositionsgruppen in anderen arabischen Ländern finanziell zu unterstützen oder deren Finanzierung durch einheimische politische Organisationen und Privatpersonen zuzulassen.
Bevor das Abkommen in Kraft tritt, muß es innerhalb der nächsten 30 Tage von den Regierungen der Mitgliedsländer ratifiziert werden. Doch zuvor muß die Expertenkommission, die den Entwurf im Auftrag der Konferenz des Vorjahres ausgearbeitet hat, noch einmal ran. Denn der Schwachpunkt des Textes ist ausgerechnet die Definition dessen, was Terrorismus ist. Vor allem der sudanesische Innenminister und Vorsitzende der arabischen Innenministerkonferenz, Prinz Nayef Ibn Abdelaziz, warnte mit Blick auf die von Israel besetzten Gebiete davor, „den Terrorismus mit dem Kampf gegen Unterdrückung zu verwechseln.“ Sein libanesischer Kollege Michel Mour pflichtete ihm bei: „Unser nationaler Widerstand im Südlibanon ist ein legitimer Kampf, um die besetzten Gebiete zu befreien. Der wirkliche Terrorismus geht von Israel aus.“
Ein wichtiger diplomatischer Schachzug gelang Algeriens Innenminister Mustafa Benmansour. Mit Unterstützung von Ägypten und Tunesien unterbreitete er der Konferenz erfolgreich eine Resolution, in der die westlichen Länder aufgefordert werden, Islamisten kein Asyl zu gewähren. Benmansour hat dabei vor allem Großbritannien, Deutschland und Belgien im Auge. Die Auslandsleitung der verbotenen Islamischen Heilsfront (FIS) agiert von Aachen und Brüssel aus. Die radikalen Bewaffneten Islamischen Gruppen (GIA), denen ein Großteil der blutigen Massaker in Algerien angelastet wird, verbreiten ihre Kommuniqués meist in London. Ägypten und Tunesien haben die britische Regierung deshalb wiederholt kritisiert, und Tunesien fordert seit langem vergebens die Auslieferung von Rachid Ghannuchi, dem Chef der in Tunesien verbotenen islamistischen En-Nahda.
Die Resolution ist die Antwort auf eine erneute Diskussion innerhalb der Europäischen Union über ein internationales Eingreifen in Algerien. Am Wochenende forderte der deutsche Außenminister Klaus Kinkel nach Bekanntwerden des Massakers von Relizane erneut eine Konferenz der politischen Direktoren der EU-Staaten. Sie sollen eine gemeinsame Algerienpolitik abstimmen, um die Krise zu beenden. Kinkels schwedische Kollegin Lena Hjelm-Wallen und der italienische Regierungschef Romano Prodi unterstützen diese Initiative.
Ablehnende Worte kommen aus Frankreich: „Wenn die Amerikaner von uns eine Untersuchungskommission über die Probleme mit der OAS oder den Reinigungsprozeß zur Zeit der deutschen Besatzung gefordert hätten, hätte ich losgeschrien“, zeigte der ehemalige Außenminister Claude Cheysson im Gespräch mit einer algerischen Zeitung Verständnis für die ablehnende Haltung der algerischen Regierung gegenüber einer Einmischung von außen.
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