Brot kommt Kroaten teuer zu stehen

■ Mit der Einführung einer einheitlichen Mehrwertsteuer will die kroatische Regierung den maroden Staatshaushalt sanieren

Split (taz) –Eine Mehrwertsteuer von 22 Prozent hat zu Unmut, jedoch nicht zu Protesten in der kroatischen Bevölkerung geführt. „Alle regen sich über die neue Steuer auf, niemand jedoch will auf die Straße gehen“, mokiert sich die satirische Wochenzeitung Feral Tribune. „Halb so schlimm“, kontert vor allem Finanzminister Branislav Skrego. Auch vorher habe es schon Verbrauchssteuern gegeben, und die seien jetzt nur durch eine einheitliche neue Steuer ersetzt worden. Überdies habe sich Kroatien damit nur den Gepflogenheiten innerhalb der Europäischen Union (EU) angepaßt. Die Minderung des Milliardendefizits im Staatshaushalt stabilisiere langfristig die Wirtschaft und komme allen wieder zugute.

Für die Normalverdiener ist dies ein schwacher Trost. Die Mehrwertsteuer verteuert nämlich vor allem Waren des täglichen Bedarfs. Auf den Brotpreis beispielsweise hat sie voll durchgeschlagen. So kostet ein Kilo Brot jetzt umgerechnet 1,50 Mark. Daß im Gegenzug der Kauf von Kraftfahrzeugen – die Verbrauchssteuer lag hier bislang bei 35 Prozent – billiger wird, interessiert die meisten Kroaten nicht. Sie können sich sowieso keinen Wagen leisten.

Verbraucherpreise in Kroatien gehören ohnehin zu den höchsten in den Übergangsländern und sind bei Durchschnittslöhnen von 600 bis 800 Mark vielfach sogar höher als in der EU. Das liegt nicht nur an der Importsteuer für ausländische Waren, sondern auch an der willkürlichen Preisfestsetzung durch die Produzenten und den Staat.

So ergibt sich innerhalb Kroatiens ein Preisgefälle bei Grundnahrungsmitteln von bis zu 50 Prozent. Am meisten müssen die Menschen in der Hauptstadt Zagreb berappen, am günstigsten leben die Verbraucher in der südlich gelegenen Küstenstadt Dubrovnik. Die Marktkräfte greifen noch nicht, und die Wirtschaftsreform ist ins Stocken geraten. Zwar sollen jetzt weitere Privatisierungen für eine Stärkung der Marktkräfte sorgen. Kritiker verweisen jedoch darauf, daß vielfach Staatsbetriebe nur verschleudert wurden, der erwünschte ökonomische Effekt aber nicht eingetreten ist. Denn manche der neuen Besitzer sind nur an dem Grundbesitz der Betriebe interessiert.

Daß die kroatische Wirtschaft noch nicht zusammengebrochen ist, liegt am sprichwörtlichen Fleiß der Bevölkerung. Seit der staatlichen Unabhängigkeit haben sich viele Menschen mit Betriebsgründungen selbständig gemacht. Dieser Privatsektor ist zu einem bedeutenden Standbein für die Wirtschaft geworden. Erstaunlich ist dabei auch das Tempo des Wiederaufbaus in den durch den Krieg verwüsteten Regionen. Nicht zuletzt die Investitionen in die Infrastruktur wie den Straßenbau tragen erste Früchte. Erich Rathfelder