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Erstmal Ruhe in Tenever

■ Polizeistreifen und internationale Jugenddiscos entspannen die Konflikte zwischen den Kulturen / Der Wendepunkt kam mit den Krawallen vom Sommer

Der 24. Juli markiert einen Wendepunkt zum Guten in Tenever. Diese Bilanz ziehen Polizei und Jugendarbeiter ein halbes Jahr nach den schwersten Auseinandersetzungen, die es zwischen Jugendlichen unterschiedlicher Herkunft im Stadtteil seit langem gab.

Am 24. Juli letzten Jahres waren zwei rußlanddeutsche Jungen durch den Molotow-Angriff eines jungen Tamilen schwer verbrannt worden. Vorausgegangen waren wochenlange Auseinandersetzungen zwischen Teilen der – überwiegend jüngeren – tamilischen und rußlanddeutschen Bevölkerung im Stadtteil. Auslöser war der Tod eines Tamilen, für den ein betrunkener rußlanddeutscher Autofahrer verantwortlich gemacht worden war. Zusätzlich fühlten tamilische BewohnerInnen der Blocks sich von betrunkenen jugendlichen Aussiedlern belästigt. Die Situation eskalierte. Es flog der Brandsatz. Ein Tamile wanderte unter Mordverdacht hinter Gitter, seine beiden rußlanddeutschen Opfer lagen monatelang im Krankenhaus – und Polizei und Sozialarbeiter starteten eine Offensive. Der Erfolg: „Es gibt heute viel weniger Aggression zwischen Gruppen unterschiedlicher nationaler Herkunft.“Auch Aussiedlerjugendliche und türkischstämmige TeneveranerInnen verstehen sich besser, sagt der Polizeichef im Stadtteil Osterholz-Tenever, Fredric Schulz.

Drei Wochen lang waren seine Beamten im Sommer Intensiv-Streife gefahren, hatten Jugendliche kontrolliert – und in die Schranken gewiesen. Denn obwohl zwei Rußlanddeutsche Opfer des Molotow-Angriffs waren, bestreitet im Stadtteil heute eigentlich niemand, daß sie selbst die Streits geschürt haben. „Das Hauptproblem dieser Jugendlichen ist der Alkohol“, sagen Polizei, SozialarbeiterInnen und Aussiedlerberaterin gleichermaßen. Um dagegen anzugehen, hatte die Polizei den Jugendlichen noch im Dezember einen ungewöhnlichen Handel angeboten. „Wenn ihr aufhört zu trinken, lassen wir euch in Ruhe“– dieses Friedensangebot lehnten die jungen Rußlanddeutschen, die sich zuvor über ständige Polizeikontrollen beschwert hatten, aber ab. Nach wie vor wird die Polizei deshalb in die Hinterhöfe gerufen, um Trinker-Grüppchen aufzulösen, die mit dem Auto dort vorfahren und sich aus dem Kofferraum wie aus einer Bar bedienen – bis sie nicht mehr können.

Kritik an der Trinkerei kommt nicht nur von Erwachsenen. Auch die türkischen Jugendlichen im Stadtteil sagen: „Ständig gibt es deswegen Ärger. Auch wenn nicht alle trinken; es sind zu viele.“

Mehmet beispielsweise kommt öfter zur sogenannten „Russen-Disco“, die seit ein paar Monaten regelmäßig im Freizi Tenever stattfindet – und die einer der wenigen Orte ist, wo die 14-bis 20jährigen im Stadtteil sich zwanglos treffen können. Ganz leicht fällt das Treffen zwar noch nicht. Die Gruppen stehen noch wenig gemischt in verschiedenen Ecken und lachen über verschiedene Dinge. Die einen mögen „die Schwarzen“nicht; die andern halten die Neudeutschen für „Faschisten“– oder können deren russische Musikimporte nicht leiden, die DJ Waldemar unverdrossen auflegt. „Klar gibt es Kritik. Aber dann mache ich einfach die Tür zu“, sagt der blonde Techniker-Azubi selbstbewußt. Der Platz für Jugendliche ist in Tenever knapp – und hart umkämpft.

Auch Sozialarbeiter sind Mangelware – und fast wären es noch weniger gewesen. Erst seit gestern ist klar, daß die Aussiedlerberatung der Arbeiterwohlfahrt in Tenever nicht geschlossen wird. Die Gelder aus Bonn fließen weiter. Christine Jankowski, die Diplom-Pädagogin, die hier jährlich rund 1.000 AussiedlerInnen mit den verschiedensten Problemen betreut, atmet auf. Jetzt will auch sie eine Initiative gegen den Alkoholismus starten. „Das Problem ist die andere Trinckultur“, sagt sie – und warnt zugleich: „Nicht alle trinken. Das darf man nicht verallgemeinern.“ ede

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