piwik no script img

Nichts als Party, Fun und Sex: Sind wir nicht alle ein bißchen alien?

■ „Nowhere“ von Gregg Araki zeigt die Jugend, wie sie halt ist – ein verrückter Pop-Film, in dem auch ein Außerirdischer vorkommt

Gregg Araki muß als Kind gern diese billigen, aber lustigen B-Gruselmovies gesehen haben. Da gab es zum Beispiel auch dieses „Ding aus dem Sumpf“, das aussah, als hätten sich Zehnjährige ein ungeheuerliches Kostüm zum Fasching zusammengebastelt. Genau so ein albernes Ungetüm, schick als Alien verkauft, spielt eine Hauptrolle in Arakis neuem Film „Nowhere“, der als letzter Streifen seiner „Teen-Apokalypse-Trilogie“ nach „Totally F***ed Up“ und „The Doome Generation“ entstand. Der Filmemacher, ein „reines Produkt der Pop-Kultur“ (Araki über Araki), ist wirklich ein Kind unserer Zeit, aufgewachsen mit Inspirationen meist visueller Natur: MTV, Fotos, die ganze Calvin-Klein-&-Bruce-Weber-Ästhetik. Herausgekommen ist ein schöner, unterhaltsamer Pop-Film, so unterhaltsam sogar, daß sich ein deutscher Verleiher fand. „The Doome Generation“ traut sich indes hierzulande noch keiner ins Kino zu bringen.

Schauen wir uns das Bild, das Araki von der heutigen Jugend entwirft, genauer an. Beruhigend ist es nicht gerade: Die Girls und Boys von heute sind alle unglaublich sexy. Keiner ist fett, keine ist häßlich. So wie bei „Beverly Hills 90210“. Na ja, einige sind doof, das zählt aber nicht, weil lustig. Siehe „Eine schrecklich nette Familie“. Nette Idee, daß Stars aus diesen Serien, wie Christina Appelgate, Shannen Doherty oder Traci Lords („Melrose Place“), im Film Gastrollen übernahmen. Alle sind immer gut drauf. Wenn nicht, wird mit Pillen nachgeholfen. Und alle wollen immer nur eins: Party, Party, Party – Fun bis zum Abwinken, Sex ohne Ende und, ja klar, die Glotze wird nie ausgestellt. Alle gucken dem TV-Prediger zu. Der weiß immer einen Ausweg aus den Höllenqualen, fast immer.

Dem Haupthelden Dark kann der Gottesmann nicht helfen. Dem Schönling, von Schwulenliebling James Duval verkörpert, plagen Weltuntergangsängste. Mit seiner Kamera filmt er viel, am liebsten wäre es ihm, wenn er seinen eigenen Tod festhalten könnte. Doch der läßt auf sich warten. Also heißt es Zeit totschlagen. So wie alle anderen es tun. Nur Pech, daß sich Freundin Mel weder auf eine Person noch auf ein Geschlecht festlegen mag. Ein bißchen bi schadet halt nie. Schwul, lesbisch? Alles ist möglich. Allein Schönheit und Perfektion zählen. Paßt ja auch zu den vor allem in Amerika geführten Queer-Debatten.

Dark sitzt mit Freunden in der Kneipe und führt Gespräche über Gott und die Welt. Die Gierlis am Nachbartisch veranstalten Tortenwettessen, um sich danach auf dem Klo den Finger in den Hals zu stecken. Gar keine so schlechte Idee, wie sich zeigt, kreuzt doch zufälligerweise der Schwarm aller Mädels dort auf. Und nach kurzem Herumgebaggere landen die beiden erst auf der Wiese zum Spaziergang, dann auf dem Sofa zum Schmusen. Bis es zur Vergewaltigung kommt. Viel später bringt sich die Geschändete um, im Fernseher läuft immer noch der TV- Prediger. Dieser und ein weiterer Nebenhandlungsstrang (ein Drogenfan bleibt auf der Strecke) sind es, die dem ansonsten völlig durchgeknallten, aber sehenswerten – Araki selbst nennt ihn einen „eher romantischen“ – Film einen Hauch von Realität geben.

Ach ja. Dark ist auch noch da. Er sucht die wahre Liebe. Und findet sie im engelsgleichen Jüngling, der Montgomery heißt. Nur wieder Pech, daß der Schöne allzu schnell verschwindet, von Alien, eben diesem Pappmonster, entführt. Doch nichts mit Liebe und Zärtlichkeit? Alle anderen machen weiter Party, sind wie besessen vom eigenen Untergang, von rauschhaften Phantasien. Araki führt eine Generation vor, die alte Grenzen hinter sich gelassen hat und doch auf der Suche nach der Erfüllung ihrer Träume und Sehnsüchte an neue Grenzen gerät. Gute Nacht, Welt! Denn ginge es allein nach Araki, hätte diese mit den heranwachsenden Generationen keine Chance mehr. Von der Liebe ganz zu schweigen: Dark, der einzig Hoffende unter den Hoffnungslosen, geht am Ende leer aus. Montgomery kommt zwar zurück, doch nur für einen kurzen Moment hält das Glück. Aliens sind eben doch stärker als die Liebe. Andreas Hergeth

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen