: „Ich kann eben nicht malen“
■ Eine Ausstellungsserie von Diplomanden der Kunsthochschule beginnt mit Ekkehard Altenburgers lebenstauglichkeitssteigernden „Übungen zum Scheitern“
ustave Courbet! Die neue Rollenbestimmung des Künstlers als Dienstleister! Norbert Bolz! Assimilationsprozesse in Zeiten zunehmender Virtualisierung! Tja da staunt man. In Windeseile – und noch ein wenig atemlos von der gerade heil überstandenen Diplomprüfung – steckt Ekkehard Altenburger seinen intellektuellen Claim ab. Der ist aufgetakelt wie die Blondine vom zugehörigen Witz. Denn groß ist die Nachfrage des Kunstmarktes nach hochtrabenden Erklärungsmodellen. Nicht Altenburgers Vergehen.
Seine Videoarbeit „Überlebensstrategien im Zeitalter von Eisbergen. Oder: Übungen zum Scheitern“ist dafür sehr schön. Ihr reicht ein einziger Verweis als archimedischer Bedeutungshebel: Sisyphos, der unermüdliche Steinentsorger. Dessen Problem nämlich löst Altenburger mit bemerkenswerter Chuzpe: Wenn schon kein Weg vorbeiführt am allgemeinen Mißlingen, dann soll man dieses Versagen wenigstens in Würde absolvieren.
Und so zeigt eine große Videoleinwand in der Kunsthochschule, wie Altenburger immer wieder zäh und stoisch eintaucht in das Becken des Unischwimmbads und versucht, einen überdimensionierten, steinernen Tauchring an die Oberfläche zu zerren – vergeblich, nicht zufrieden, aber auch nicht unzufrieden. Altenburgers schwarzer Lieblingsmantel, auf einem Flohmarkt in Edinburgh für fünf Mark erworben, fliegt im Wasser wie Frackschöße im Wind. Zum kundigen Scheitern braucht man keine Taucherausrüstung. Das muß auch alltagsgerecht funktionieren. Auf der anderen Seite der Leinwand wälzt sich der Rheinfall von Schaffhausen, nicht weniger unermüdlich. Der riesige, dunkle Ausstellungsraum mutiert zu einer mysteriösen Unterwasserwelt mit nüchterner Duschwanne statt Korallenriffen.
Auch für den Betrachter ist das Eintauchen in die Installation eine kontemplative Angelegenheit. Polizeiabsperrungen halten ihn auf Abstand. So ist die Installation im Grunde „ein Tafelbild. Nur – ich kann eben nicht malen.“Der Soundtrack zum Bild ist ein gleichförmig-chaotisch-bombastisches Wasserfallrauschen. Dieses Wasserfallrauschen ist in Wahrheit ein Heizkörpersurren, digital aufgemischt mit den Rückkopplungen einer Umwälzpumpe. „Denn das authentische Wasserfallrauschen war einfach nicht so echt wie das virtuelle Schnipselwerk.“Wahrscheinlich würde auch Placido Domingo echter klingen mit einer Spur Heizkörperblubbern – wenigstens ein bißchen.
Die Erfahrungen beim langwierigen Herstellungsprozeß der Installation waren für Altenburger übrigens alles andere als sisyphos-vergeblich. Seltsam waren sie allerdings: Unterstützung erhielt er nämlich just von der Seite, von der er sie am wenigsten erwartet hätte. Während die Hochschule – „wenn Du das schreibst, schreib vielleicht doch lieber: Teile der Hochschule“– nicht gerade vor Kooperationsbereitschaft glänzte, zeigten sich die seltsamsten Berufsgruppen draußen in der Welt – Feuerwehrleute, Fliesenleger – äußerst aufgeschlossen. Ein Polizeimann gar rückte seine Absperrgitter erst heraus nach einem kleinen Pläuschchen über eine Rebecca Horn-Ausstellung, damals, irgendwo in Amiland. Eine weitere Erfahrung: Anstelle der Fertigkeit zu malen braucht der Installationskünstler die Fähigkeit, bürokratische Anträge auszufüllen, „Anträge ohne Ende, die dann irgendjemand gegenzeichnet“. Eine Welt für geschulte Sisyphoten. bk
Die Videoinstallation ist bis zum Sonntag in der HdK, Dechanatsstraße, zu sehen. Im Frühjahr plätschert es dann in der Städtischen Galerie am Buntentorsteinweg. Die HdK zeigt bis zum 1.2. noch acht weitere Künstler. Öffnungszeiten: freitags und samstags von 15 bis 19, sonntags von 11 bis 18 Uhr
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