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■ Armee und Demokratie sind unvereinbar. Eine demokratische Rüstungsindustrie gibt es nicht. Eine Erwiderung auf Ralf FücksFabelwesen demokratische Armee

Die Provokation ist gelungen. Trotzdem handelt, wer, wie Ralf Fücks, die demokratische Armee propagiert und sie als friedenserzwingendes Instrument nutzen möchte, zumindest fahrlässig. Nun aber noch die Erziehung der Armee gegen Rechtsradikalismus den Wehrpflichtigen aufzubürden und Offizierslaufbahnen zu empfehlen, damit sie die Bundeswehr unter Kontrolle halten, zeugt von Unkenntnis der Armeestrukturen.

Während sich bei Militärhistorikern eine Wende in der Einschätzung der Wehrpflicht abzeichnet, marschieren vereinzelte Bündnisgrüne einträchtig mit Militärs und wollen die Beibehaltung der Wehrpflicht. Sie fordern gar eine „zweite Demokratisierung“, ohne erklären zu können, wie die erste aussah. Sie greifen dabei auf die Ideologie des Bürgers in Uniform aus der Zeit der Befreiungskriege zurück. Gleiche Rechte für gleiche Pflichten – mit diesem Versprechen sollte einst der Weg in die Armee belohnt werden. Geblieben ist bis heute nichts weiter als eine drastische Beschränkung der Rechte des wehrpflichtigen Soldaten.

Die allgemeine Wehrpflicht brachte ebensowenig die erhoffte Demokratisierung der Armee wie Schutz vor militärischen Exzessen. Ohnehin ist es nie gelungen, alle Schichten systematisch in die Armee einzubinden. Unter Wissenschaftlern herrscht inzwischen Einigkeit, daß die Wehrpflicht nicht zur Demokratisierung einer Armee beiträgt. Wie sonst wären all die Kriege mit Wehrpflichtigen erklärbar? Gerade autoritäre und totalitäre Systeme bedienten sich der Wehrpflicht.

Trotzdem werden weiterhin die Gefahren einer Berufsarmee beschworen. Wehrpflichtbefürworter verweisen dabei meist auf die Erfahrungen der Weimarer Republik. Unberücksichtigt bleibt bei diesem Rückblick, daß nicht die 100.000 Mann der Reichswehr für den Untergang der Weimarer Republik verantwortlich waren, sondern die überwiegend nationalgesinnte Bevölkerung und die sechs Millionen in Soldatenverbänden organisierten Heimkehrer des Ersten Weltkriegs. Überdies besteht die Bundeswehr heute schon zu fast zwei Dritteln aus Freiwilligen, davon zirka 200.000 Berufs- und Zeitsoldaten.

Die Verhältnisse der Weimarer Republik und des Dritten Reiches lassen sich nicht auf die BRD übertragen. In der BRD wurde ein Modernisierungsprozeß des Militärs eingeleitet, an dessen Ende eine multifunktionale Interventionsarmee stehen wird. Diese Armee legitimiert sich überwiegend über die klassische Aufgabe der Heimatverteidigung. Heimatverteidigung bezieht sich in Zeiten der Globalisierung nicht mehr nur auf das durch die nationalen Grenzen definierte Territorium, sondern auf die ganze Welt. Zum militärischen Aufgabengebiet gehört selbstverständlich die Absicherung der „vitalen Interessen“ Deutschlands und der Nato. Folglich bietet die Einbindung in internationale Bündnis- und Sicherheitsstrukturen keine Gewähr gegen militärische Abenteuer, sondern bedeutet vielmehr eine Ausweitung der Handlungsmöglichkeiten. Nach der Erweiterung des Handlungsrahmens der Nato existiert kein Krisenfall mehr, der nicht militärisch angegangen werden könnte.

Die Zeit der vorwiegend ideologisch bedingten Kriege ist vorbei, aber das Zeitalter der Ressourcenkriege beginnt erst. Deshalb entstehen neue Armeestrukturen, die genutzt werden, wenn die ungerechten Welthandelsmechanismen nicht mehr ausreichen. Aufgrund seiner jüngeren Geschichte kann Deutschland keine eigenständige Rohstoff- und Interessenabsicherungsarmee aufbauen. Dies ist allerdings nicht das Verdienst der „ersten Demokratisierung“, wie Fücks meint. Vielmehr bremsten außermilitärische Opposition, Druck des Auslands sowie die Lähmung durch den Ost-West- Konflikt eine solche Entwicklung.

Inzwischen ist dieses Problem gelöst. Die Bundeswehr wurde in eine Heimatverteidigungsarmee und in Krisenreaktionskräfte aufgeteilt. Während die „heimatverteidigenden“ Wehrpflichtigen zehn Monate Dienst leisten, dauert die „kampf- und kriegsnahe“ Ausbildung bei Krisenreaktionskräften 13 bis 23 Monate. Sie erhalten erhöhten Sold und im Falle ihres Einsatzes Prämien von bis zu 150 Mark pro Tag. Vorzugsweise in diesen Einheiten tummeln sich die Rechtsradikalen.

„Humanitäre Einsätze“ dienen der Legitimation der Kriseninterventionskräfte. Waffenlieferungen sowie eine Politik, die Krisen verschärft, lassen den anschließend medial gut inszenierten Ruf nach „humanitärer Hilfe“ alternativlos erscheinen. Deutsche Soldaten werden künftig als Ultima ratio eingesetzt werden, wenn Wasser, Öl oder andere wichtige Ressourcen bedroht sind.

Fücks unterschlägt in seiner Argumentation, daß eine „humanitär intervenierende“ Bundeswehr samt ihrer Bündnispartner weiter an der Rüstungsspirale dreht. Denn das Bündnis muß stärkste Militärmacht sein, ansonsten liefe es Gefahr, bei seinen „humanitären Interventionen“ besiegt zu werden. Da die Rüstungsindustrie gleichzeitig von Moral wenig hält, wird sie sich bei einem stockenden Absatz im Bündnis zur Profitmaximierung Richtung Krisengebiete orientieren und dadurch den tödlichen Kreislauf in Gang halten. Wollen Fücks, Joschka Fischer und andere demnächst mit dem Slogan „Kauft Rüstungsgüter!“, „Rüstung schafft Arbeit!“ in den Wahlkampf ziehen?

Die Aufforderung, in die Armee einzutreten und sie zu reformieren, hat einen weiteren üblen Beigeschmack. Schon viele Reformer von innen sind gescheitert. Die Sozialisten bekämpften zunächst die Armee, weil sie nicht ihre Interessen vertrat. Zur Sozialdemokratie reformiert, ließen sich die Entradikalisierten durch den Vorwurf des Vaterlandsverrats zu eifrigen Soldaten erziehen. Viele spätere Grüne versuchten in ihren jungen Jahren, die SPD von innen zu reformieren. Sie scheiterten. Ist nun schon die Zeit gekommen, wo man die Grünen von innen reformieren sollte?

Eine republikanisch-demokratische Armee ist eine Illusion. Demokratie und Armee sind unvereinbar. Die Bundeswehr ist zwar die am wenigsten aggressive deutsche Armee, aber deswegen doch kein blauer Friedensengel. Bündnisgrüne sollten sich an der Weiterentwicklung nichtmilitärischer Konfliktbewältigung engagieren und beweisen, daß Krisenmanagement zwar aufwendig, aber notwendig ist, anstatt ihre Regierungsfähigkeit als Soldatenfürsprecher zu demonstrieren. Ansonsten werden sie Lobbyisten der Rüstungsindustrie und der Militärs. Christian Herz

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