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Keine Todesstrafe für den verurteilten Terry Nichols

■ Die Geschworenen im Prozeß um den Bombenanschlag von Oklahoma City sind nicht einig

Washington (taz) – Terry Nichols muß nicht sterben, jedenfalls nicht durch das Todesurteil eines Bundesgerichts. Vor 14 Tagen hatten die Geschworenen Nichols in Denver für schuldig befunden, zusammen mit Timothy McVeigh die Bombe gebaut zu haben, die am 19. April 1995 das Alfred-P.-Murrah-Gebäude in Oklahoma City in die Luft sprengte und dabei 168 Menschen tötete. Jetzt konnten sie sich nicht auf das Strafmaß für Nichols einigen.

Es ist eine Besonderheit der US-amerikanischen Strafprozeßordnung, daß die Geschworenen zweimal über einen Angeklagten urteilen. Im ersten Durchgang geht es ausschließlich um die Frage der Schuld, im zweiten um das Strafmaß. Die Geschworenen hatten drei Optionen: Sie konnten über Terry Nichols die Todesstrafe verhängen, ihn zu lebenslanger Haft verurteilen oder das Urteil einfach dem Vorsitzenden Richter Richard Matsch überlassen. Der hat nun die Entscheidung zu fällen, kann allerdings kein Todesurteil sprechen.

Bei den Verhandlungen über die Strafzumessung gingen jene Zweifel auf, die das Verteidigerteam des Staranwalts Michael Tigar gesät hatte. Ihm war es gelungen, den Indiziencharakter der Beweisführung herauszuarbeiten und die Staatsanwaltschaft als voreingenommen hinzustellen. Sie habe sich ganz der Theorie der alleinigen Täterschaft von Timothy McVeigh und Terry Nichols verschrieben und Hinweise auf eine breiter angelegte Verschwörung ignoriert.

Die Geschworenen konnten sich letztlich nicht einigen, ob Terry Nichols möglicherweise nur eine untergeordnete Rolle gespielt haben könnte, ob er sich der Tragweite des Anschlages überhaupt bewußt war und ob er den Tod so vieler Menschen billigend in Kauf genommen habe.

Das Urteil wurde von der Verteidigung und der Familie von Terry Nichols mit Erleichterung, von den Überlebenden des Bombenanschlags mit Tränen aufgenommen. Verteidigung und Angehörige wollen den Fall hinter sich bringen, die Verteidigung, weil sie den Fall aufklären und vor allem eingrenzen will, die Angehörigen, weil sie vom Justizsystem Gerechtigkeit verlangen und weil sie dieses Kapitel ihres Lebens hinter sich lassen wollen. Dieses Urteil aber bedeutet, daß das bisher teuerste Verfahren der US-amerikanischen Rechtsgeschichte nicht abgeschlossen ist. In den 33 Monaten seit Explosion der Bombe wurden 30.000 Zeugen vernommen und 3.000 Schriftsätze und Dokumente vorgelegt. Doch weder die Hintergründe noch der eigentliche Grund für diesen bisher schwersten Fall von inner-US-amerikanischem Terrorismus sind damit aufgeklärt worden.

Vor dem Bundesgericht in Denver wurde nur über den Mord an Bundesbediensteten in Oklahoma verhandelt. Timothy McVeigh und Terry Nichols stehen gesonderte Mordprozesse im Bundesstaat Oklahoma bevor. Dabei könnte Terry Nichols doch noch zum Tode verurteilt werden. Peter Tautfest

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