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Halbzeitparlament fordert Opfer

■ Der Unternehmer Lutz Peper (AfB) kriegt Beruf und Bürgerschaftsmandat nicht mehr unter einen Hut und steigt aus, wie andere Firmeninhaber vor ihm / Lehrer Dr. Fuchs rückt nach

Bremens Parlament bewegt sich wieder einen Schritt weiter hin zu einer Versammlung von Lehrern und Beamten. Einer der wenigen aktiven Unternehmer unter den 100 Volksvertretern gab gestern sein Bürgerschafts-Mandat zurück. Nachrücken wird ein Pädagoge. „Keine Zeit“, gab der wirtschaftspolitische Sprecher der AfB-Fraktion, Lutz Peper, als Grund für seinen Rückzug an. Er kriege es „einfach nicht hin“, sowohl sein Geschäft als auch die Politik „mit der notwendigen Perfektion“zu betreiben. Pepers Stuhl in der Oppositionsbank wird der 58 Jahre alte Gymnasiallehrer Dr. Gerold Fuchs übnernehmen. Statt der Wirtschaft widmet sich der Neue der Bildungs- und Umweltpolitik.

Peper wird künftig in seinem Unternehmen stärker gefordert. Die Willenbrock Fördertechnik GmbH vertreibt Gabelstapler der Marke Linde in Nordwestdeutschland. Jetzt hat die Firma einen benachbarten Händler aufgekauft, die Zahl der Mitarbeiter klettert von 130 auf 200, und der Chef wird zweimal in der Woche in Salzgitter gebraucht. „Ich kann es mir einfach nicht leisten, drei Tage in der Bürgerschaft zu sitzen und meine Kunden zu vernachlässigen“.

Mit ähnlichen Argumenten war im April bereits der CDU-Abgeordnete Jens Meier-Hedde aus der Bürgerschaft ausgestiegen. Der Inhaber der Schlüssel-Reederei KG war hafenpolitischer Sprecher seiner Partei. Als seine Firma neue Schiffe anschaffte, wuchs ihm die Arbeitsbelastung über den Kopf.

Peper kennt jetzt nur noch vier echte Unternehmer in der Bürgerschaft, die für die 4.457 Mark monatlicher Diät plus 735 Mark Aufwandsentschädigung ihr Mandat wahrnehmen, obwohl alle Parteien doch stets die Öffnung des Parlaments für Fachleute aus dem Mittelstand im Munde führen: Das sind der CDU-Mann Wolfgang Schroers, Pepers AfB-Kollege Patrick Wendisch, der Grüne Arend Hindriksen und Ex-Finanzsenator Manfred Fluss (SPD), der sich aber berufsbedingt aus der fordersten Linie der Politik zurückzog.

Offenkundig ist es für erfolgreiche Selbständige oder Unternehmer fast unmöglich, die Arbeit des Halbzeitparlaments neben ihrem Beruf zu übernehmen. Angehörige des öffentlichen Dienstes haben es da leichter: Weil sie keinen Teilzeitjob machen dürfen, ruht ihr Beschäftigungsverhältnis, solange sie im Parlament das Volk vertreten. Zusätzlich zu den Diäten erhalten sie dann noch 50 Prozent ihres bisherigen Netto-Einkommens aus der Staatskasse, sind also effektiv doch Vollzeit-Abgeordnete.

Für Peper, der Mitglied in der Wirtschaftsdeputation und im Plenum der Bremer Handelskammer bleiben wird, ist seine persönliche Situation ein weiterer Beleg dafür, daß eine Parlamentsreform Not tut. Die Zahl der Abgeordneten müsse auf etwa 70 reduziert werden. Die sollten dann, wie in anderen Landtagen auch, als Profi-Politiker volle Diäten bekommen. Eine entsprechende Initiative der Grünen war im Sommer bei der Großen Koalition abgeblitzt, obwohl damit nach Überzeugung der Opposition Millionen zu sparen wären. Denn im Zusammenhang mit der Verkleinerung des Parlaments sollten auch die Deputationen abgeschafft und durch vollwertige Parlamentsausschüsse ersetzt werden. Aber die großen Parteien fürchten um ihre Pfründen, weil sie in den Deputationen auch Nicht-Parlamentsmitglieder mit Pöstchen bedenken können, die immerhin mit 769 Mark im Monat plus Sitzungsgelder dotiert sind. Joachim Fahrun

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