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Waffen für die Welt – made in Hamburg

Das Geschäft mit Abschreckung, Sicherheit und Tod: Bei Entwicklung, Produktion und Export von Rüstungsgütern ist Hamburg im Norden die Nummer eins  ■ Von Marco Carini und Hans Walden

Für Hamburgs Bausenator Eugen Wagner war das Geschäft mit den tödlichen Waffen noch nie ein Thema. „Die Rüstungsindustrie spielt für Hamburg überhaupt keine Rolle“, beschwichtigte der Sozialdemokrat bereits am letzten Tag des Golfkrieges die Öffentlichkeit. Kein Einzelfall. Wann immer sich Hamburgs Regierungsriege zur Rolle der Hansestadt im internationalen Waffenhandel äußern sollte, verfiel sie in tie-fes Schweigen oder erklärte das Thema zur Marginalie.

Die regierungsamtlichen Verlautbarungen haben einen Schönheitsfehler: Sie stimmen nicht. Schon ein flüchtiger Blick auf das Shopping-Verhalten der Bundeswehr belegt die führende Rolle der Stadt bei der Rüstungsproduktion. Allein 1996 vergab die Hardthöhe Aufträge in Höhe von fast 3,4 Milliarden Mark an Firmen in Hamburg – mehr als je zuvor.

Während Bremen im gleichen Zeitraum 2,8 Prozent, Schleswig-Holstein und Niedersachsen je 4,6 und Berlin 0,9 Prozent vom Auftragskuchen der deutschen „Friedensarmee“erhielten, verleibte sich die Hansestadt mit 18,3 Prozent ein Riesenstück ein. Nur bayerische Unternehmen standen noch besser da, sie zogen knapp ein Fünftel der begehrten Rüstungsmilliarden an Land.

Wie geschmiert und ohne störende öffentliche Resonanz laufen in Hamburg Rüstungsproduktion und Waffenhandel. Weit über 100 Firmen verdienen an dem Geschäft mit Abschreckung, Sicherheit und Tod. Und auch der Hamburger Hafen gilt nicht nur als europäische Drehscheibe für zivile Industriewaren. An den Kais gehört der Umschlag von Militärgütern aller Art zur Tagesordnung – und längst nicht alle Geschäfte sind legal.

Die herausragende Rolle in der Produktion von Rüstungsgütern spielt das vom Thyssen-Konzern kontrollierte Hamburger Tradi-tionsunternehmen Blohm + Voss. Die vor 120 Jahren gegründete Werft, deren Panzerkreuzer und U-Boote schon in den beiden Weltkriegen die deutsche Marine hochrüsteten, hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten zum führenden deutschen Kriegsschiffskonstrukteur und einem der wichtigsten Rüstungsexporteure Deutschlands entwickelt.

Zwischen 1977 und 1996 wurden von sieben ausländischen Kriegsmarinen insgesamt 36 Fregatten und Korvetten der von Blohm + Voss konzipierten Meko-Baureihe geordert, dazu von der deutschen Marine weitere sieben Fregatten. Als erster ausländischer Kunde erhielt Nigeria, das sich trotz der existentiellen Armut weiter Bevölkerungsteile die größte Armee Schwarzafrikas leistet, 1981 von den Hamburger Schiffsbauern die Prestige-Fregatte „Aradu“, nebst einer kompletten Marinewerft in Lagos.

Auch mit der argentinischen Militärdiktatur machte die Thyssen-Tochter bereits Ende der 70er Jahre Geschäfte mit einem Gesamtauftragsvolumen von über zwei Milliarden Mark. Dafür bekam der Andenstaat nicht nur 20 Zollkreuzer und vier Fregatten, Ingenieure von Blohm + Voss halfen auch beim Bau von sechs Korvetten in einer argentinischen Staatswerft.

Vom Rüstungswettlauf zwischen der Türkei und Griechenland profitiert Blohm + Voss gleich doppelt: Beide Länder stattet die Werft mit sogenannten „Meko“-Fregatten für dreistellige Millionenbeträge aus. Über weitere Kriegsschiffslieferungen verhandelt die Unternehmensspitze zur Zeit mit Malaysia, Südafrika, Kuwait und den Vereinigten Arabischen Emiraten.

Für die deutsche Marine hat Blohm + Voss zuletzt die 1994 in Dienst gestellte Fregatte „Brandenburg“gebaut. Im kommenden Jahr wollen die Hamburger Schiffsbauer mit dem Bau der Fregatte „Sachsen“beginnen, die das größte seit 1945 in Deutschland hergestellte Kampfschiff werden wird. Zwei weitere Fregatten dieses Typs sollen anschließend von der Kieler HDW und der Emdener Blohm + Voss-Schwester „Thyssen-Nordseewerke“gebaut werden. Über eine Milliarde Mark soll jede Fregatte kosten. Allein die jährlichen Betriebskosten der „Sachsen“, die 2002 ihren Dienst antreten soll, werden offiziell auf 35 Millionen Steuermark veranschlagt.

Daneben rechnet sich Blohm + Voss gute Chancen aus, fünf Korvetten für die Bundesmarine zu bauen. Dabei macht Blohm + Voss-Chef Herbert von Nitzsch keinen Hehl daraus, daß die High-Tech-Schiffe nicht nur an bundesdeutschen Küsten ihre militärische Aufgabe erfüllen sollen. Die „Verfügbarkeit leistungsfähiger Schiffe in ausreichender Anzahl für die unterschiedlichsten Missionen in nahezu allen Gebieten der Welt“steht für den Top-Manager auf dem Programm.

Dafür, daß bei Blohm + Voss die Kassen beim Kriegsschiffsbau klingeln, sorgen nicht zuletzt einflußreiche Politiker in den für die Vergabe von Rüstungsaufträgen zuständigen Bundestagsausschüssen. Unter Kennern wird unverhohlen von einer „parlamentarischen Küsten-Mafia“und einer „gut funktionierenden Marine-Kameradschaft im Bundestag“gesprochen. Dazu zählt der Itzehoer CDU-Abgeordnete Dietrich Austermann, der dem Bonner „Rüstungsbewilligungsausschuß“vorsteht, genauso wie der schleswig-holsteinische FDP-Landeschef Jürgen Koppelin und der Hamburger Bundestagsabgeordnete Peter Zumkley (SPD). Insbesondere Zumkley gefällt sich darin, die Hamburger Werft aufzufordern, ihr schwimmendes Kriegsgerät in die halbe Welt zu exportieren. „Von der Bundesmarine allein“, weiß der Oberst a. D., „können die Werften nicht leben.“

Von der Bonner Lobbyarbeit profitiert auch ein anderes norddeutsches Unternehmen: die zu den fünf führenden Torpedoherstellern der Welt zählende Bremer STN ATLAS Elektronik, deren „Torpedozentrum“in Wedel beheimat ist. Seit Anfang der 70er Jahre trägt die Rheinmetall-Tochter massiv zur weltweiten Verbreitung „drahtgelenkter Schwergewichtstorpedos mit akustischem Suchzielkopf“bei. Neben der Türkei und Griechenland erhielten auch sechs süd-amerikanische und fünf asiatische Staaten drahtgelenkte Torpedos von STN. Im Falkland-Krieg beschoß die argentinische U-Boot-Waffe 1982 britische Kriegsschiffe mit Torpedos „made in Wedel“. Dem indonesischen Suharto-Regime haben die Wedeler Spezialisten gar den Aufbau einer eigenen Torpedo-Fertigung ermöglicht. Das 1982 vereinbarte Kooperationsprogramm läuft noch heute: STN ATLAS Elektronik liefert die Schlüsselkomponenten des Torpedos SUT an den indonesischen Staatskonzern IPTN in Bandung, wo die Endmontage erfolgt.

Für Schlagzeilen sorgte dabei die Nachricht, daß Taiwan etwa 200 Torpedos aus der indonesischen Lizenzfertigung gekauft hat. Indizien sprechen dafür, daß auch Pakistan sich auf diese Weise SUT-Torpedos beschafft hat. Das Bonner Wirtschaftsministerium hat vor wenigen Wochen angekündigt, es werde untersuchen, ob gegen die mit Indonesien vereinbarte Endverbleibsklausel verstoßen wurde.

An der Entwicklung der Torpedotechnik ist auch die Hamburger Schiffbau-Versuchsanstalt (HSVA) in Barmbek beteiligt. Für wehrtechnische Modellversuche nutzt die HSVA seit 1989 einen speziellen Hydrodynamik- und Kavitationstunnel (HYKAT), zu dessen Finanzierung neben Verteidigungs- und Forschungsministerium auch Hamburg beigetragen hat.

Daneben mischen noch jede Menge weiterer Firmen im großen Geschäft um die Militär-Moneten mit. Die Extel Systems Wedel (ESW) wirbt damit, „weltweit eine technologisch führende Stellung“im Bereich elektrischer Turmantriebe für Panzerfahrzeuge zu besitzen. Das Unternehmen gehört zu den Zulieferern für den umstrittenen Eurofight-er. Daimler-Benz Aerospace Airbus in Finkenwerder, ist an der Entwicklung militärischer Airbus-Versionen beteiligt und will beim Bau des Transall-Nachfolgers FTA mitwirken. Die MTG Marinetechnik in der Wandsbeker Königstraße ist Deutschlands zentrales Entwurfs- und Pla-nungsbüro für Überwasserkriegsschiffe. Siemens Hamburg ist auf die elektrische Ausrüstung von Kriegsschiffen spezialisiert, die C. Plath GmbH Nautisch-Elektronische Technik in Hammerbrook auf elektronische Kampfführung. Und in Ottensen steht der Komplex der Hermes Kreditversicherungs AG, die im Auftrag der Regierung Rüstungsexporte mit den berühmten „Hermes-Bürgschaften“absichert.

Die Liste der Hamburger Firmen, die mit der Produktion von Rüstungsgütern Kasse machen, ließe sich beliebig fortsetzen. Der Standort Hamburg ist bei ihnen auch deshalb so beliebt, weil sich die Militärgüter über den Hafen schnell in alle Welt verschiffen lassen. Immer wieder stoßen Zollfahnder und Wasserschutzpolizei dabei auch auf illegale Waffenschiebereien. So beschlagnahmten die Fahnder im November 1992 im Schuppen 73 acht dem ägyptischen Verteidigungsministerium gehörende Container randvoll mit Kriegswaffen und Munition. Die Ermittlungen wegen des ungenehmigten Transits von Kriegswaffen wurden von der Hamburger Staatsanwaltschaft später eingestellt, weil sich die Verantwortlichen angeblich nicht ermitteln ließen. Nur einen Monat später wurde vor Sizilien das estnische Frachtschiff „Waalhaaven“gestoppt, daß in Hamburg mit Maschinenteilen beladen worden war, die nach Geheimdienst-Erkenntnissen für den Umbau von Scud-Raketen bestimmt waren.

Die Verantwortlichen der illegalen Rüstungsexporte aber kommen, auch wenn sie ausnahmsweise ermittelt werden, meist glimpflich davon. Das von Ex-Bürgermeister Henning Voscherau im Februar 1991 gegebene Versprechen, die Hamburger Justiz werde die Firmen unnachgiebig zur Rechenschaft ziehen, die „das Geschäft mit dem Tod“durch illegale Waffenlieferungen in den Iran betrieben hätten, entpuppte sich schon bald nach dem Golfkrieg als Luftblase. So wurden drei Manager der inzwischen geschlossenen Hamburger Water Engineering Trading, die dem Irak Produkte für chemische und bakteriologische Waffen lieferte, 1996 lediglich zu Bewährungsstrafen verurteilt.

Ein anderer Fall: Die auf die Entwicklung von Navigationsystemen spezialisierte C. Plath Navigation – Automation war 1991 in den Verdacht geraten, Saddam Hussein mit Spezialkompassen für irakische Scud-Raketen beliefert und dem Diktator zudem eine Zentrifuge gefertigt zu haben, mit der der Irak waffenfähiges Uran für atomare Sprengköpfe anreichern kann. Bereits im November 1994 wurde Anklage gegen den ehemaligen Geschäftsführer und den Produktionsleiter der Barmbeker Firma erhoben. Der Prozeß aber läßt noch immer auf sich warten.

Hans Walden: Wie geschmiert. Rüstungsproduktion und Waffenhandel im Raum Hamburg. KOMZI Verlag, 1997, 29,80 Mark

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