Mindestens 65 Tote in Algerien

■ Die Massaker hören nicht auf. Desertierte Polizisten und Militärs beschuldigen die Geheimdienste, an Anschlägen beteiligt zu sein

Madrid (taz) – Die Schreckensmeldungen aus Algerien reißen nicht ab. Nach Angaben algerischer Tageszeitungen kamen am vergangenen Wochenende mindestens 65 Menschen bei Überfällen ums Leben, die den radikalen Bewaffneten Islamischen Gruppen (GIA) zugeordnet werden. Diesmal schlugen die Attentäter nahe der Städte Saida, Sour al-Ghozlane und Medea zu.

Das brutalste Massaker fand in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag in Beni Jeddou, zwölf Kilometer östlich von Sour al-Ghozlane, statt, einer Stadt im gebirgigen Landesinnern 100 Kilometer südöstlich der Hauptstadt Algier. Mindestens 30 schwerbewaffnete Männer drangen in den abgelegenen Ort ein und enthaupteten 26 Menschen. In ihrem Blutrausch töteten die Angreifer selbst Nutz- und Haustiere. Als die Armee eintraf, ergriff das Kommando die Flucht. Dabei entführten sie vier junge Frauen. Sechs der Angreifer sollen auf der Flucht getötet worden sein.

Am nächsten Abend wiederholten sich ähnliche Szenen in Ben Trif, nahe der Stadt Saida. Mindestens ein Dutzend Männer, gekleidet wie einst die afghanischen Freischärler, erreichten kurz vor Sonnenuntergang in einem Lkw das Dorf. Sie teilten sich in zwei Gruppen. Während die einen in ein Haus eindrangen, riegelte der Rest die Umgebung ab. Für die neunköpfige Familie gab es kein Entkommen. Nicht einmal vor der 76jährigen blinden Großmutter machten die Angreifer halt. Auch sie wurde enthauptet.

Am Freitag abend erreichte die Gewalt einmal mehr die Mitiya- Ebene, das Todesdreieck vor den Toren der Hauptstadt Algier. Mindestens 22 Menschen verloren ihr Leben bei einem Massaker in Tablat, in der Nähe von Medea, einer Garnisonsstadt am Rande der Ausläufer des Atlasgebirges. Bei weiteren Terroraktionen im Zentrum und Westen des Landes kamen laut Presseberichten mindestens weitere acht Menschen ums Leben.

Am Samstag konnte der Fahrer eines Überlandbusses in Oued Djer, 100 Kilometer südöstlich von Algier, gerade noch ein Blutbad verhindern. Er durchbrach mit seinem vollbesetzen Fahrzeug eine von Islamisten in Militäruniform aufgebaute falsche Straßenkontrolle. Die Terroristen beschossen daraufhin den Bus. Fünf Menschen wurden dabei verletzt.

Währenddessen nehmen die Anschuldigungen von Deserteuren aus der algerischen Armee und Polizei zu, die algerischen Geheim- und Sicherheitsdienste seien für die Massaker mitverantwortlich. Gestern veröffentlichten der britische The Observer und Der Spiegel entsprechende Aussagen. Reiner Wandler